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Aufgrund der veränderten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Bagatellkündigungen (vgl. Fall Emmely) hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in einem Rechtsstreit über die Anfechtung eines Aufhebungsvertrags einen Beschluss des Arbeitsgerichts  Berlin vom 03.08.2011 aufgehoben. Das Arbeitsgericht Berlin hatte die Gewährung von Prozesskostenhilfe dem Kläger versagt, der sich mit der Klage und dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gegen die Beendigung des Arbeitsvertrages durch einen Aufhebungsvertrag wandte. Der Kläger war 34 Jahre beanstandungsfrei bei der Beklagten als Fleischer angestellt gewesen, er soll bei seiner Arbeit einige Bouletten aus einem Mittagstischgericht Königsberger Klopse bei der Arbeit verspeist haben. Dabei soll er von einem Ladendetektiv beobachtet worden sein. Nach eigenem Vortrag wurde der Kläger darauf von den Mitarbeitern der Beklagten vor die Alternative gestellt, dass der Kläger einen Aufhebungsvertrag mit einer verkürzten Kündigungsfrist ohne Abfindung unterschreibt oder für den Fall dass er diesen nicht unterschreibt, eine sofortige, außerordentliche Kündigung erhält.  Der Kläger unterschrieb nach eigenem Vortrag deshalb den Aufhebungsvertrag, anschließend erklärte er die Anfechtung des Aufhebungsvertrages wegen widerrechtlicher Drohung. Dabei stellte der Kläger auf die Drohung mit der fristlosen Kündigung ab, diese sei auch widerrechtlich. Dabei sei darauf abzustellen, ob ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Zur Prüfung der Wirksamkeit einer hypothetischen Kündigung hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung – etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen – zu erreichen (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.6.2010, 2 AZR 541/09, Rn. 34). Hier wäre eine Kündigung wegen des Vorwurfs einen Königsberger Klops unter Beachtung des Ultima-Ratio-Prinzips und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen unter keinem Aspekt gerechtfertigt, eine etwaige Bagatellkündigung hätte keinen Bestand gehabt, da eine Abmahnung in jedem Fall das mildere, gleich wirksame Mittel gewesen wäre. Eine Weiterbeschäftigung wäre auch ohne weiteres zumutbar gewesen. So lautete jedenfalls der Vortrag des Arbeitnehmers.

Das Arbeitsgericht Berlin lehnte dennoch den Antrag des Klägers durch Beschluss mit der Begründung ab, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe, denn die Widerrechtlichkeit der Drohung sei nicht erkennbar. Dagegen erhob der Kläger die sofortige Beschwerde, woraufhin das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 15.09.2011, Az. 24 Ta 1849/11, den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin aufhob und die Sache ans Arbeitsgericht Berlin zurückverwies. Das Landesarbeitsgericht führt zur Begründung mit einer luziden Begründung aus:

Die Androhung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis durch eine außerordentliche Kündigung beenden zu wollen, falls der Arbeitnehmer nicht selbst kündige oder einen Aufhebungsvertrag abschließe, stellt die Ankündigung eines zukünftigen empfindlichen Übels dar, dessen Verwirklichung in der Macht des ankündigenden Arbeitgebers liegt. Die Drohung muss nicht ausgesprochen werden und kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen … Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Die Widerrechtlichkeit der Kündigungsandrohung kann sich regelmäßig nur aus der Inadäquanz von Mittel Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist die Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung des Zwecks anzusehen, so ist die Drohung widerrechtlich … Nur wenn der Arbeitgeber unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werde im Falle ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er die außerordentliche Kündigungserklärung nicht in Aussicht stellen, um damit den Arbeitnehmer zum Abschluss einer Beendigungsvereinbarung zu veranlassen … Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 10.06.2011 -2 AZR 541/09 – entschieden, das Gesetz kenne auch im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen des Arbeitnehmers keine absoluten Kündigungsgründe … Allein die grundsätzliche Geeignetheit eines Sachverhaltes, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, rechtfertigt nicht die Drohung mit einer Kündigung, weil der Arbeitgeber dann nicht alle Umstände des Einzelfalles abgewogen hat.

Mit dem Beschluss schafft das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Klarheit über die Voraussetzungen einer erfolgreichen Anfechtung eines unter dem Eindruck einer rechtswidrigen Kündigungsdrohung geschlossenen Aufhebungsvertrages. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Fall Emmely ist dabei zu beachten und kann unter den gegebenen Umständen eine erfolgreiche Anfechtung erleichtern.

Fundstelle: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. September 2011, Az.  24 Ta 1849/11

Zumindest das Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) sieht das so, es hat mit Urteil vom 21. Oktober 2011, Az. L 12 AL 2879/09, entschieden, dass eine 12 Wochen lange Sperrzeit für das Arbeitslosengeld gerechtfertigt ist, wenn ein Arbeitnehmer, der in einem von der Caritas getragenen Krankenhauses beschäftigt ist, im Internet diffamierende, satirische Texte über den Papst veröffentlicht. Das LSG hob damit die gegenteilige Entscheidung des Sozialgerichts Konstanz auf. Die Arbeitsagentur kann grundsätzlich u. a. dann eine Sperrzeit für das Arbeitslosengeld bei Arbeitsaufgabe verhängen, wenn der Arbeitslose durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (vgl. § 144 Abs. 1 S. 1  Nr. 1 SGB III). Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt zwölf Wochen (vgl. § 144 Abs. 3 SGB III). Bei einer wirksamen fristlosen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wird daher in der Regel eine Sperrzeit verhängt. In Deutschland gelten Sonderregelungen im Arbeitsrecht für die bei Kirchen angestellten Arbeitnehmer, bei diesen können auch Verstöße gegen kirchenrechtliche Loyalitätspflichten eine verhaltensbedingte Kündigung unter Umständen rechtfertigen. Das leitet sich aus dem Selbstbestimmungs- und Selbstverwaltungsrecht der Kirchen nach Art. 140 Grundgesetz i. V. m. § 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung ab. Im vorliegenden Fall war laut Pressemittelung des LSG nach Bekanntwerden der Autorenschaft des Klägers durch den Arbeitgeber eine fristlose, verhaltensbedingte Kündigung angedroht worden, letztlich aber mit dem Kläger einen Aufhebungsvertrag geschlossen worden. Aufgrund des Aufhebungsvertrages verhängte die Arbeitsagentur eine Sperrzeit von 12 Wochen hinsichtlich der Gewährung von Arbeitslosengeld, dagegen erhob sich der Kläger bei Sozialgericht Konstanz Klage und bekam Recht. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg sieht das nun anders, nach dessen Auffassung   habe dem Kläger für den Abschluss des Aufhebungsvertrags kein wichtiger Grund zur Seite gestanden, denn der Arbeitgeber hätte ihm ansonsten zu Recht außerordentlich fristlos kündigen können. Der Kläger habe sich wegen seiner Tätigkeit in einer kirchlichen Einrichtung auch außerdienstlich so zu verhalten, dass kein Widerspruch zu den Grundsätzen des Beschäftigungsbetriebs entstehe. Durch polemische und auf niedrigem Niveau angesiedelte Äußerungen gegen den Papst als Oberhaupt der katholischen Kirche habe der Kläger die katholische Kirche selbst angegriffen und seine Loyalitätsobliegenheiten nachhaltig verletzt. Einer vorherigen Abmahnung durch den Arbeitgeber habe es nicht bedurft, da das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger und dem Arbeitgeber durch sein gravierendes Fehlverhalten dauerhaft zerstört gewesen sei. Bisher liegt nur die Pressemitteilung des Landessozialgerichts vor, die Ausführungen in den Urteilsgründen bleiben abzuwarten. Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung sind jedoch bereits jetzt anzubringen, denn wie sich u. a. aus der Emely-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ergibt, existieren keine absoluten Kündigungsgründe im deutschen Arbeitsrecht. Es ist vielmehr auf den Einzelfall abzustellen. Der Kläger war langjährig angestellt bei dem Krankenhaus, die Pflichtverletzung hatte keinen direkten Zusammenhang mit seinen Arbeitsaufgaben als Krankenpfleger. Da erscheint es doch einigermaßen fragwürdig, ob hier nicht zumindest eine Abmahnung anstelle der Kündigung ausgereicht hätte, von dem Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz ganz zu schweigen. Insoweit darf man auf die Veröffentlichung der Urteilsgründe durchaus gespannt sein.

Fundstellen: Landessozialgerichts Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Oktober 2011, Az. L 12 AL 2879/09; Pressemitteilung vom 21.10.2011

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