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Die Bußgeldnorm der Berliner Corona-Eindämmungsverordnung für Verstöße gegen das Mindestabstandsgebot und das Gebot, physisch soziale Kontakte auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren, wurde vom Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin mit Beschluss vom 20.05.2020, Az. VerfGH 81 A/20, einstweilen außer Kraft gesetzt.

Im Rahmen einer Folgenabwägung führt der Verfassungsgerichtshof in dem Beschluss aus, dass sich die Bußgeldvorschrift (§ 24 SARS-CoV-2-EindmaßnV) auf (zu) unbestimmte Rechtsbegriffe in der Eindämmungsverordnung bezieht (nämlich auf § 1 Satz 1 und 2 SARS-CoV-2-EindmaßnV). Der Bürger könne nicht in ausreichender Weise erkennen, welche Handlungen oder Unterlassungen bußgeldbewehrt sind.

Diese mangelnde Erkenntnismöglichkeit kann gerade rechtstreue Bürgerinnen und Bürger veranlassen, sich in ihren Grundrechten noch weiter zu beschränken, als es erforderlich wäre, um keine Ordnungswidrigkeit zu begehen.

Eine Bußgeldandrohung von bis zu 25.000 Euro entfaltet zusätzliche abschreckende Wirkung. Der vom Berliner Senat erlassene Bußgeldkatalog wurde zudem nicht angepasst, der Großteil der Tatbestände des Bußgeldkatalogs lässt sich nicht mehr in Einklang mit den mittlerweile gelockerten Corona-Verordnungen bringen.

Damit hat der Verfassungsgerichtshof zwar noch nicht darüber entschieden, ob die Bußgeldvorschrift auch verfassungswidrig ist. Es dürfte aber zu erwarten sein, dass auch im Hauptsachverfahren die Bußgeldvorschrift in der jetzigen Form (Stand 27.05.2020) keinen Bestand haben wird.

Fundstelle: Verfassungsgerichtshof von Berlin, Beschluss vom 20.05.2020, Az. VerfGH 81 A/20; Pressemitteilung vom 26.05.2020

Immer wieder wird kritisiert, dass die Rechtsprechung in den Bundesländern bezüglich der Rehabilitierung von DDR-Unrecht relativ stark voneinander abweicht. Was in einem Bundesland als rechtsstaatswidrig rehabilitiert wird, wird von Gerichten in anderen Bundesländern gehalten. Gerade was die Rehabilitierung von ehemaligen Heimkindern angeht, bestehen in der Rechtsprechung größere Divergenzen (vgl. „Rechtsstaatswidrigkeit einer Heimeinweisung in ein „Normalkinderheim“ der DDR“ vom 17.09.2018).

Das Kammergericht in Berlin vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass bei Heimunterbringungen in der DDR nur die Einweisungsverfügung als solche, nicht hingegen deren Folgen, also die konkreten Lebensbedingungen in dem jeweiligen Heim, zu prüfen sind. Der gegenläufigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt in Naumburg schließt sich das Kammergericht ausdrücklich nicht an. Seit einigen Jahren hebt das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt Einweisungen von Kindern und Jugendlichen in Spezialheime und Jugendwerkhöfe aufgrund des dort verfolgten Zwecks der Umerziehung in der Regel als unverhältnismäßig auf.

Seine restriktive Rechtsprechung muss das Kammergericht nun aber überprüfen. Denn der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin hat mit Beschluss vom 16.01.2019, Az. 145/17, eine Entscheidung des Kammergerichts zu DDR-Heimeinweisungen aufgehoben. Das Verfassungsgericht sah das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 15 Abs. 4 Satz 1 der Berliner Verfassung dadurch verletzt, dass  das Kammergericht nicht ausreichend aufgeklärt hat, ob und in welchem Umfang es in den Spezialkinderheimen der DDR systematisch zu menschenrechtsverletzenden Übergriffen gekommen ist und was Ursache dafür war. Das Gericht ist seiner Pflicht zur Amtsermittlung nicht nachgekommen, weil es sich mit dem aktuellen Forschungsstand zu den Lebensumständen in den Spezialheimen der DDR nicht nachvollziehbar auseinandersetzt hat. Der Verfassungsgerichtshof führt wörtlich in dem Beschluss vom 16.01.2019 aus:

„Gegebenenfalls hätte es nahegelegen, mithilfe eines Sachverständigen weiter zu ermitteln, ob und in welchem Umfang es in den Spezialheimen […] systematisch zu menschenrechtsverletzenden Übergriffen gekommen ist und was Ursache dafür war.“

Eine Änderung der Berliner Rechtsprechung zu den Einweisungen in Spezialheime und Jugendwerkhöfe erscheint daher möglich, die nächste Entscheidung des Kammergerichts wird es zeigen.

Fundstelle: Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 16.01.2019, Az. 145/17

Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin hat mit Beschluss vom 20.12.2011, Az. VerfGH 28/11, 28 A/11; 29/11, 29 A/11, u. a. zwei Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufgehoben, die den Antragstellern die Zulassung zum Bachelor-Studiengang Psychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin verwehrten. Die Beschwerdeführer hatten sich im Wintersemester 2009/2010 für den Studiengang Psychologie beworben und waren abgelehnt worden, da die vorhandenen 90 Studienplätzen an bessere Bewerber vergeben worden seien.  Im regulären Verfahren müssten die Bewerber laut Angaben der Universität entsprechend ihren Qualifikationen mit bis zu 16 Wartesemestern rechnen. Gegen die Ablehnung  wandten sich die Bewerber und beantragten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Zulassung  beim Verwaltungsgericht Berlin, dieses wies die Anträge ab. Auch die hiergegen erhobenen Beschwerden beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg und die darauf folgenden Anhörungsrügen blieben ohne Erfolg. Hiergegen erhoben die Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerden beim Verfassungsgerichthof Berlin, die sie vor allem eine Verletzung ihres Rechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 15 Abs. 4 der Verfassung von Berlin (VvB) sowie auf die Verletzung ihres Rechts auf freie Wahl der Ausbildungsstätte und des Berufs aus Art. 17, 20 Abs. 1 Satz 2 VvB stützten. Denn daraus folge u. a. ein Kapazitätserschöpfungsgebot.

Der Verfassungsgerichtshof hob die Entscheidungen auf, da sie die Beschwerdeführer in ihrem Anspruch auf Hochschulzulassung verletzten. Dieser Anspruch leite sich aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 10 Abs. 1 VvB) und dem Recht auf freie Wahl des Berufes und auf Bildung (Art. 17 VvB und Art. 20 Abs. 1 Satz 2 VvB) ab. Danach sind absolute Zulassungsbeschränkungen nur unter strengen formellen und materiellen Voraussetzungen statthaft. Die Festlegung objektivierter, nachvollziehbarer Kriterien für die Kapazitätsermittlung fällt dabei grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Gesetzgebers. Eine Beschränkung der Zulassung zum Hochschulstudium (numerus clausus) darf laut §§ 2,3 des Berliner Hochschulzulassungsgesetz (BerlHZG) nur ausnahmsweise für einzelne Studiengänge erfolgen. Die Kapazitätsermittlung hat in der Weise zu erfolgen, dass die jährliche Aufnahmekapazität auf der Grundlage des Lehrangebots, des Ausbildungsaufwands und weiterer kapazitätsbestimmender Kriterien festgelegt wird. Rechnerisch hat dies anhand von der sogenannten Curricularnormwerte zu geschehen, die durch Rechtsverordnung festzulegen sind (Artikel 7 Abs. 3 des Staatsvertrags über die Vergabe von Studienplätzen). Genau daran fehlte es aber hier, denn der Ausbildungsaufwand war nicht durch studiengangspezifische Normwerte in einer Rechtsverordnung festgesetzt worden. Im verwaltungsgerichtlichen Eil- und Hauptsacheverfahren kann die Kapazitätsberechnung aber gerade nicht durch die Gerichte nachgeholt werden. Denn die Gerichte dürfen nicht anstelle des Normgebers handeln und einen Curricularnormwert einfach durch eigene Berechnungen selbst schöpfen. Die Verfahren wurden an die Verwaltungsgerichte zurückverwiesen und diese angehalten  mit der gebotenen Eile erneut zu entscheiden. Es dürfte daher eine positive Entscheidung für die Studienplatzbewerber zu erwarten sein, die dann endlich ihr angestrebtes Psychologiestudium aufnehmen können.

Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 20.12.2011, Az. VerfGH 28/11, 28 A/11; 29/11, 29 A/11

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