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Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Beschluss vom 05.12.2023, Az. 2 BvR 1749/20, festgestellt, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten und des Landgerichts Berlin, mit denen die Wohnungsdurchsuchung angeordnet wurden, um eine Straftat des sogenannten Adbusting aufzuklären, gegen das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) verstoßen haben. Bei einer sogenannte Adbusting-Aktion werden Werbeplakate im öffentlichen Raum in einer Weise verfremdet beziehungsweise umgestaltet, dass deren ursprünglicher Sinn abgeändert oder lächerlich gemacht wird. Für einen außenstehenden Betrachter sollen die Plakate erst auf den zweiten Blick als sinnverändert wahrgenommen werden.

In dem vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidenden Fall war die betroffene Person im Mai 2019 auf frischer Tat ertappt worden, wie sie ein Werbeplakat der Bundeswehr an einer Bushaltestelle gegen ein verändertes Plakat austauschen wollte, das statt der Werbung Kritik an der Bundeswehr und einem Rüstungsunternehmen zum Ausdruck brachte.

Im Juni 2019 seien dann ähnlich veränderte Plakate aufgetaucht, weshalb die Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbeschluss beantragte, den das Amtsgericht Tiergarten im September 2019 erließ. Die Wohnung wurde daraufhin im September 2019 durchsucht. Das gegen die betroffene Person geführte Ermittlungsverfahren wurde im Dezember 2019 wegen Geringfügigkeit eingestellt. Die Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss wies das Landgericht Berlin im August 2020 als unbegründet ab, da es die Wohnungsdurchsuchung für rechtmäßig hielt. Die Durchsuchung sei nicht unzulässiger Weise im Hinblick auf andere Fälle des sogenannten Adbustings erfolgt, sondern zur Untermauerung des Tatverdachts in dem konkret gegen die Betroffene geführten Strafverfahren.

Das Bundesverfassungsgericht führt in dem Beschluss vom 05.12.2023 aus, dass Adbusting je nach Begehungsweise  strafbar sein kann. Dies gilt etwa dann, wenn das jeweils abgehängte Plakat nicht (zusammengerollt) im Schaukasten verbleibt, sondern mitgenommen wird, dann könnte dies einen Diebstahl darstellen. Wird ein derart entwendetes Originalplakat selbst verfälscht, so kommt eine Strafbarkeit wegen Sachbeschädigung in Betracht. Ein besonders schwerer Fall des Diebstahls ist wegen der Geringwertigkeit des Plakats in aller Regel auszuschließen, da der der Mietwert des Schaukastens gerade nicht maßgeblich ist.

Das Bundesverfassungsgericht stellt daher in dem Beschluss vom 05.12.2023 fest, dass der Durchsuchungsbeschluss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht genügt. Die Anordnung der Durchsuchung war unangemessen, da die Schwere des Eingriffs außer Verhältnis zu dem mit ihm verfolgten Zweck stand. Die angegriffenen Beschlüsse setzten sich nicht hinreichend damit auseinander, dass eine Strafe für den konkreten Strafvorwurf voraussichtlich niedrig ausgefallen wäre. Es war zudem äußerst unwahrscheinlich, dass die Durchsuchung tatsächlich zum Auffinden von Beweismitteln geführt hätte, die den Verdacht hinsichtlich der konkret vorgeworfene Tat hätten erhärten können. Die zu erwartenden Beweismittel hätten lediglich Hinweis darauf liefern können, dass die Beschwerdeführerin wohl für die Adbusting-Szene aktiv war.

Das Bundesverfassungsgericht führt zudem in dem Beschluss vom 05.12.2023 aus, dass auch die Meinungs- oder Kunstfreiheit der Strafbarkeit des „Adbustings“ entgegen stehen können. Das Adbusting kann eine Art der künstlerischen Betätigung darstellen, es sei aber stets eine Abwägung zwischen der Kunstfreiheit und den Eigentumsinteressen des Geschädigten vorzunehmen, um herauszufinden welchem Grundrecht im Einzelfall der Vorrang einzuräumen sei. In dem vorliegenden Fall nahm das Bundesverfassungsgericht nur den Verstoß gegen die Unverletzlichkeit der Wohnung an, lehnte aber eine Verletzung der Grundrechte auf Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit ab.

Fundstellen: Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung  Nr. 121/2023 vom 21.12.2023, Beschluss vom 05.12.2023, Az. 2 BvR 1749/20; Landgericht Berlin, Beschluss vom 24.08.2020, Az. 528 Qs 44/20; Amtsgericht Tiergarten, Beschluss vom 17.07.2019, Az. (348 Gs) 231 Js 1812/19 (1887/19) und Beschluss vom 06.09.2019, Az. 348 Gs 2464/19

Ein besonders schwerer Fall des Betruges gem. § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB liegt regelmäßig u. a. dann vor, wenn der Täter gewerbsmäßig gehandelt hat. Liegt ein schwerer Fall vor, erhöht sich die Mindeststrafe auf 6 Monate. Es ist demnach für Strafzumessung entscheidend, ob eine gewerbsmäßige Begehungsform vorliegt oder nicht. Gewerbsmäßig handelt, wer in der Absicht einen Betrug begeht, sich durch die wiederholte Begehung  für eine längere Zeit und nicht nur vorübergehend eine Einkommensquelle zu erschließen. Das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm) hat mit Beschluss vom 11.08.2011, Az. III – 5 RVs 40/11, nun allerdings entschieden, dass beim gewerbsmäßigen Betrug selbst bei zahlreichen vorgeworfenen Fällen ein besonders schwerer Fall dann ausscheidet, wenn der Schaden die Geringwertigkeitsgrenze nur knapp übersteigt, der Gesamtschaden relativ gering war und gewichtige zugunsten des Täters sprechende Umstände gegeben sind. Das OLG Hamm führt mit seiner Entscheidung die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (BGH) fort (vgl. BGH, Beschluss vom 28.02.2001, Az. 2 StR 509/00). Das OLG Hamm betont in seiner Entscheidung, dass von der Erfüllung des Regelbeispiels des § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB nur eine Indizwirkung ausgeht, die durch besondere strafmildernde Umstände entkräftet werden kann. Das gesamte Tatbild unter Berücksichtigung aller tat- und täterbezogenen Umstände ist hinsichtlich der Prüfung des Vorliegens eines besonders schweren Falles zu berücksichtigen. Beim Betrug ist aber für die Strafzumessung vor allem die Schadenshöhe ausschlaggebend. Beim gewerbsmäßigen Betrug kann deshalb selbst bei zahlreichen vorgeworfenen Fällen ein besonders schwerer Fall dann ausscheiden, wenn der Schaden die Geringwertigkeitsgrenze nur knapp übersteigt, der Gesamtschaden relativ gering war und mildernde Umstände vorliegen. Die Geringwertigkeitsgrenze wird gemeinhin bei einem Betrag in Höhe von 50,00 € gezogen (so auch das OLG Hamm). Das Kammergericht Berlin bezweifelt die Höhe dieser Grenze allerdings (vgl. Kammergericht Berlin, Beschluss vom 13.01.2010, Az. 1 Ss 465/09). Das Kammergericht hegt Zweifel an der Grenze von 50,00 € im Hinblick auf die damals geltende Höhe von monatlich 359,00 € des Regelsatzes nach § 20 Abs. 2 SGB II (Hartz IV), jedenfalls liege die Grenze auch nach der Entscheidung des Kammergerichts nicht oberhalb von 25,00 €. Nach den Entscheidungen des Kammergerichts und des BGH kann ein festgestellter Gesamtschaden noch als relativ gering angesehen werden wenn unterhalb von 15.000 DM (was einem Betrag von 7669.38 € entspräche) liege. Gegen das Vorliegen des schweren Falles kann laut der Entscheidung des Kammergerichts sprechen, dass der Angeklagte in bescheidenen, gleichwohl geordneten Verhältnissen lebt, die Abgabe eines umfassendes Geständnis, das Fehlen von Vorstrafen, der lange seit der letzten Tat verstrichene Zeitraum, sowie ein leichtfertiges Handeln der Geschädigten. Nach dem Schuldmaßprinzip ist eine differenzierte Zumessung der Einzelstrafen geboten. Darüber hinaus betont das OLG Hamm in Anlehnung an die diesbezügliche Rechtsprechung des BGHs, dass die Bezeichnung der Betrugstaten als gewerbsmäßig nicht in die Urteilsformel aufzunehmen ist, da das Vorliegen gesetzlicher Regelbeispiele für besonders schwere Fälle nicht in die Urteilsformel gehört. Ein Verstoß hiergegen kann mit der Revision angegriffen werden.

Fundstellen: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.02.2001, Az. 2 StR 509/00; Kammergericht Berlin, Beschluss vom 13.01.2010, Az. 1 Ss 465/09; Oberlandesgericht Hamm,  Beschluss vom 11.08.2011, Az. III – 5 RVs 40/11

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