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Das Landgericht Berlin (LG) gab laut Pressemitteilung (PM 21/2012) am 29.03.2012 bekannt, dass im Verfahren wegen einer tödlichen Verfolgungsjagd am U-Bahnhof Kaiserdamm ein Angeklagter wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu 2 Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung und ein weiterer Täter wegen gefährlicher Körperverletzung zu 4 Monaten Freiheitsstrafe ebenfalls auf Bewährung verurteilt worden sind. Sie sollen zwei Passanten in der U-Bahnstation ohne Anlass mit den Fäusten geschlagen haben, einen der Passanten soll einer der Angeklagten nach draußen verfolgt haben, wo der Passant auf der Flucht von einem Auto erfasst worden sein soll und schließlich an den Verletzungen des Autounfalls verstorben sein soll.

Einen Berliner Autobrandstifter hat das Landgericht Berlin hingegen laut Pressemitteilung vom 03.04.2012 (PM 23/2012) u. a. wegen schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren (ohne Bewährung) verurteilt, er soll u. a. mindestens 80 Fahrzeuge in Brand gesteckt haben, wobei ein hoher Sachschaden entstanden sein soll. Menschen wurden durch die Brände offensichtlich nicht in ihrer Gesundheit beeinträchtigt. Laut Presseerklärung des Landgerichts vom 03.04.2012 wäre ein Tatnachweis ohne das Geständnis des Angeklagten in keinem Fall möglich gewesen. Der Angeklagte hat das harte Urteil offenbar akzeptiert und auf Rechtsmittel verzichtet.

Die Strafhöhe beider Urteile unterschiedlicher Kammern des Landgerichts Berlin dürfte in Berlin für Diskussionen sorgen, insbesondere erscheint es doch einiger Maßen erstaunlich, dass trotz Geständnisses des verurteilten Autobrandstifters eine deutlich höhere Strafe als bei Körperverletzung mit Todesfolge verhängt wurde. Die Verhängung der hohen Freiheitsstrafe für den verurteilten Autobrandstifter begründete die vorsitzende Richterin der großen Strafkammer laut Medienberichten (u. a.  Artikel der Berliner Morgenpost vom 04.04.2012: „Gezündelt, um den Frust abzubauen“) auch damit, dass durch die hohe Strafhöhe eine abschreckende Wirkung auf potentielle andere Täter erzielt werden soll. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir den Hinweis, dass die Höhe einer Haftstrafe keinerlei statistisch signifikante abschreckende Wirkung entfaltet. Eine abschreckende Wirkung einer besonders hohen Haftstrafe ist wissenschaftlich nicht feststellbar. Auch in der Untersuchung des australischen NSW Bureau of Crime Statistics and Research mit dem Titel „The effect of arrest and imprisonment on crime“ von Wai-Yin Wan, Steve Mofatt, Craig Jones und Don Weatherburn wurde diese Erkenntnis erst kürzlich erneut untermauert. Sie haben u. a. den Effekt der Haftdauer auf die Kriminalitätsraten in New South Wales in Australien quantitativ analysiert.

Fundstellen: Landgericht Berlin, Urteil vom 29. 03.2012, Az. (535) 234 Js 4622/11 (13/11), Pressemitteilung 21/2012 und Urteil vom 03.04.2012, Az. (517) 222 Js 3531/11 (4/12), Pressemitteilung 23/2012; „The effect of arrest and imprisonment on crime“ von Wai-Yin Wan, Steve Mofatt, Craig Jones und Don Weatherburn in der Zeitschrift Contemporary Issues in Crime and Justice, Nr. 158, Februar 2012

Ein besonders schwerer Fall des Betruges gem. § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB liegt regelmäßig u. a. dann vor, wenn der Täter gewerbsmäßig gehandelt hat. Liegt ein schwerer Fall vor, erhöht sich die Mindeststrafe auf 6 Monate. Es ist demnach für Strafzumessung entscheidend, ob eine gewerbsmäßige Begehungsform vorliegt oder nicht. Gewerbsmäßig handelt, wer in der Absicht einen Betrug begeht, sich durch die wiederholte Begehung  für eine längere Zeit und nicht nur vorübergehend eine Einkommensquelle zu erschließen. Das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm) hat mit Beschluss vom 11.08.2011, Az. III – 5 RVs 40/11, nun allerdings entschieden, dass beim gewerbsmäßigen Betrug selbst bei zahlreichen vorgeworfenen Fällen ein besonders schwerer Fall dann ausscheidet, wenn der Schaden die Geringwertigkeitsgrenze nur knapp übersteigt, der Gesamtschaden relativ gering war und gewichtige zugunsten des Täters sprechende Umstände gegeben sind. Das OLG Hamm führt mit seiner Entscheidung die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (BGH) fort (vgl. BGH, Beschluss vom 28.02.2001, Az. 2 StR 509/00). Das OLG Hamm betont in seiner Entscheidung, dass von der Erfüllung des Regelbeispiels des § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB nur eine Indizwirkung ausgeht, die durch besondere strafmildernde Umstände entkräftet werden kann. Das gesamte Tatbild unter Berücksichtigung aller tat- und täterbezogenen Umstände ist hinsichtlich der Prüfung des Vorliegens eines besonders schweren Falles zu berücksichtigen. Beim Betrug ist aber für die Strafzumessung vor allem die Schadenshöhe ausschlaggebend. Beim gewerbsmäßigen Betrug kann deshalb selbst bei zahlreichen vorgeworfenen Fällen ein besonders schwerer Fall dann ausscheiden, wenn der Schaden die Geringwertigkeitsgrenze nur knapp übersteigt, der Gesamtschaden relativ gering war und mildernde Umstände vorliegen. Die Geringwertigkeitsgrenze wird gemeinhin bei einem Betrag in Höhe von 50,00 € gezogen (so auch das OLG Hamm). Das Kammergericht Berlin bezweifelt die Höhe dieser Grenze allerdings (vgl. Kammergericht Berlin, Beschluss vom 13.01.2010, Az. 1 Ss 465/09). Das Kammergericht hegt Zweifel an der Grenze von 50,00 € im Hinblick auf die damals geltende Höhe von monatlich 359,00 € des Regelsatzes nach § 20 Abs. 2 SGB II (Hartz IV), jedenfalls liege die Grenze auch nach der Entscheidung des Kammergerichts nicht oberhalb von 25,00 €. Nach den Entscheidungen des Kammergerichts und des BGH kann ein festgestellter Gesamtschaden noch als relativ gering angesehen werden wenn unterhalb von 15.000 DM (was einem Betrag von 7669.38 € entspräche) liege. Gegen das Vorliegen des schweren Falles kann laut der Entscheidung des Kammergerichts sprechen, dass der Angeklagte in bescheidenen, gleichwohl geordneten Verhältnissen lebt, die Abgabe eines umfassendes Geständnis, das Fehlen von Vorstrafen, der lange seit der letzten Tat verstrichene Zeitraum, sowie ein leichtfertiges Handeln der Geschädigten. Nach dem Schuldmaßprinzip ist eine differenzierte Zumessung der Einzelstrafen geboten. Darüber hinaus betont das OLG Hamm in Anlehnung an die diesbezügliche Rechtsprechung des BGHs, dass die Bezeichnung der Betrugstaten als gewerbsmäßig nicht in die Urteilsformel aufzunehmen ist, da das Vorliegen gesetzlicher Regelbeispiele für besonders schwere Fälle nicht in die Urteilsformel gehört. Ein Verstoß hiergegen kann mit der Revision angegriffen werden.

Fundstellen: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.02.2001, Az. 2 StR 509/00; Kammergericht Berlin, Beschluss vom 13.01.2010, Az. 1 Ss 465/09; Oberlandesgericht Hamm,  Beschluss vom 11.08.2011, Az. III – 5 RVs 40/11

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