Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat ein neues Urteil zur Leiharbeit verkündet, danach muss das verklagte Zeitarbeitsunternehmen rückwirkend den Arbeitslohn des Zeitarbeiters nachzahlen, da im Arbeitsvertrag auf einen unwirksam Tarifvertrag der CGZP verwiesen wurde.
Im Rahmen der Leiharbeit gilt der Grundsatz des Equal-Pay (Gleicher Lohn für gleiche Arbeit). Einem Leiharbeiter muss demnach grundsätzlich der gleiche Lohn gezahlt werden wie einem festangestellten Arbeitnehmer im Entleihunternehmen. Das ergibt sich direkt aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Gem. § 9 Nr. 2 AÜG sind Vereinbarungen unwirksam „die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen.“ S. 2 von § 9 Nr. 2 AÜG sieht jedoch eine Öffnungsklausel vor, danach kann in Tarifverträgen vom Prinzip des Equal-Pay abwichen werden. Dementsprechend wurden zahlreiche Tarifverträge u. a. von der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) geschlossen, die Abweichungen zuungunsten der Leiharbeit vom Equal-Pay-Prinzip zulassen.
Lange Zeit war die Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) umstritten. Das Arbeitsgericht Berlin hatte durch Beschluss am 01.04.2009, Az. 35 BV 17008/08, entschieden, dass die CGZP wegen fehlender sozialer Mächtigkeit nicht tariffähig sei. Das Landesarbeitsgericht Berlin schloss sich mit Beschluss vom 7. Dezember 2009, Az. 23 TaBV 1016/09, der Meinung des Arbeitsgerichts Berlin im Wesentlichen an. Das Bundesarbeitsgericht entschied zwar mit Beschluss vom 14.12.2010, 1 ABR 19/10 auch, dass die CGZP nicht tariffähig ist, es ging aber auf die fehlende Tarifmächtigkeit nicht weiter ein, sondern begründete das Urteil mit einem Satzungsfehler der CGZP. Der Beschluss des BAG war ausdrücklich gegenwartsbezogen im Hinblick auf die Satzung der CGZP vom 05.12.2005 und auf die Änderung der Satzung am 08.10.2009. Hinsichtlich der Vergangenheit war die Rechtslage daher noch nicht abschließend geklärt worden.
Die Entscheidungen haben folgenden rechtlichen Hintergrund. Um wirksam einen Tarifvertrag schließen zu können, müssen die vertragschließenden Parteien überhaupt tariffähig sein. An der Tariffähigkeit der CGZP bestanden wegen einer möglicher Weise fehlenden sozialen Tarifmächtigkeit Zweifel. Das Land Berlin und einige Konkurrenzgewerkschaften wie z. B. ver.di hatten vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung geklagt, dass die CGZP nicht tariffähig sei. Der Hintergrund ist, dass die CGZP seit Tag ihrer Gründung, am 12.12.2002, eine Vielzahl von Firmen- und Verbandstarifverträgen abgeschlossen hat. In der CGZP sind jedoch relativ wenig Mitglieder organisiert. Die Mitglieder setzen sich größtenteils aus den Gewerkschaften im Christlichen Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB), der Berufsgewerkschaft e.V. (DHV) und der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen (GÖD) zusammen. Am 31. 12.2008 waren in den Mitgliedsgewerkschaften der CGZP nach eigenen Angaben lediglich 1.383 Leiharbeitnehmer organisiert. Die Zahl der Leiharbeiter betrug zu diesem Zeitpunkt in Deutschland insgesamt 760.604 Arbeitnehmer. Ver.di trug in dem Verfahren vor, dass mit den Vereinbarungen der CGZP der gesetzliche Mindestschutz der Leiharbeitnehmer einseitig zu deren Lasten im Interesse der Arbeitgeber verschlechtert werde. Aufgrund der geringen Anzahl von Leiharbeitern unter den Mitglieder fehle die erforderliche Durchsetzungskraft. Die CGZP erwiderte, dass das Verfahren von ver.di rechtsmissbräuchlich betrieben werde, da es ihr darum ginge einen missliebigen Konkurrenten auszuschalten. Es war hierbei zu beachten, dass der Begriff der Tariffähigkeit gesetzlich nicht definiert ist. Unter Tariffähigkeit versteht man die rechtliche Fähigkeit, durch Vereinbarung mit dem sozialen Gegenspieler Arbeitsbedingungen tarifvertraglich mit der Wirkung zu regeln, dass sie für die tarifgebundenen Personen unmittelbar und unabdingbar wie Rechtsnormen gelten. Die Tariffähigkeit ist Voraussetzung für den Abschluss von Tarifverträgen. Mindestvoraussetzungen um als Gewerkschaft zu gelten und damit tariffähig zu sein, sind nach der Rechtsprechung des BAG, dass sie sich als satzungsgemäße Aufgabe die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder in deren Eigenschaft als Arbeitnehmer gesetzt hat und willens ist, Tarifverträge abzuschließen. Sie muss frei gebildet, gegnerfrei, unabhängig und auf überbetrieblicher Grundlage organisiert sein und das geltende Tarifrecht als verbindlich anerkennen. Weiterhin ist Voraussetzung, dass die Arbeitnehmervereinigung ihre Aufgabe als Tarifpartnerin sinnvoll erfüllen kann. Dazu gehören die durch ihre Mitglieder vermittelte Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler und eine leistungsfähige Organisation. Bei der CGZP handelt es sich um eine sogenannte Spitzenorganisation, da in ihr mehrere Gewerkschaften zusammengeschlossen sind, in deren Namen sie Tarifverträge abschließen darf. Die sich zu einer Spitzenorganisation zusammenschließenden Arbeitnehmerkoalitionen müssen allerdings selbst tariffähig sein. Dies setzt die Tariffähigkeit von sämtlichen das Tarifgeschehen der Spitzenorganisation bestimmenden Gewerkschaften voraus. Das Bundesarbeitsgericht lässt in seiner Entscheidung dahinstehen, ob die CGZP überhaupt von tariffähigen Arbeitnehmervereinigungen gebildet wird, denn zumindest haben die Mitgliedsgewerkschaften ihre Tariffähigkeit nicht vollständig auf die CGZP übertragen, was aber wegen der Unteilbarkeit der Tarifhoheit notwendig gewesen wäre. Die Mitgliedsgewerkschaften hatten den Organisationsbereich der CGZP auf den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung beschränkt, selbst waren sie laut jeweiliger Satzung aber auch für andere Gebiete zuständig. Zum anderen geht die Zuständigkeit der CGZP über die Zuständigkeit ihrer Mitglieder hinaus, da diese nach ihren Satzungen nicht das gesamte Spektrum der Arbeitnehmerüberlassung umfasst. Die Mitgliedsgewerkschaften waren zum damaligen Zeitpunkt nur für bestimmte, einzelne Branchen zuständig, die CGZP wollte aber laut eigener Satzung Tarifverträge für alle Branchen der Leiharbeit abschließen.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat mit dem Urteil vom 20. September 2011, Az. 7 Sa 1318/11, entschieden, dass auch die streitgegenständlichen Tarifverträge der CGZP für den Zeitraum vor dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts unwirksam waren und daher der Grundsatz des Equal-Pay für Leiharbeitnehmer nicht wirksam abbedungen wurde. Deshalb hat das Landesarbeitsgericht das verklagte Zeitarbeitsunternehmen verurteilt, an eine Leiharbeitnehmerin das im Entleiherbetrieb übliche Entgelt für die Vergangenheit nachzuzahlen. Bezüglich der Einzelheiten bleibt die Veröffentlichung des Urteils abzuwarten. Eine Überprüfung eines Arbeitsvertrages, der auf einen entsprechenden Tarifvertrag der CGZP verweist, kann also durchaus lohnend sein.
Fundstellen: Arbeitsgericht Berlin, Beschluss am 01.04.2009, Az. 35 BV 17008/08, Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. September 2011, Az. 7 Sa 1318/11, Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Dezember 2009, Az. 23 TaBV 1016/09, Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14.12.2010, Az. 1 ABR 19/10