Um diese Webseite optimal gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir sogenannte Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 05.11.2019, Az. 1 BvL 7/16, entschieden, dass die derzeitige Sanktionsregelung für Hartz-IV-Bezieher teilweise verfassungswidrig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass der Staat verpflichtet ist, das menschenwürdige Existenzminimum jedes Menschen sicherzustellen und dass die eigenständige Existenzsicherung des Menschen ist nicht Bedingung dafür sein kann, dass ihm Menschenwürde zukommt.

Das Bundesverfassungsgericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Sanktionsregelungen teilweise zu starr sind, weil sie außergewöhnliche Härten nicht ausreichend berücksichtigen und einen Sanktionszeitraum von drei Monaten vorgeben, ohne dass hiervon abgewichen werden kann. Hier hat der Gesetzgeber die Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums überschritten.

Die Sanktionierung einer wiederholten Mitwirkungsverpflichtung in Höhe von 60 % des Regelbedarfs ist zudem verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Die Minderung des Hartz-IV-Satzes in der Höhe von 60 % ist unzumutbar, weil das grundrechtlich gewährleistete Existenzminimum nicht mehr gewährleistet wird und starr für drei Monate angeordnet wird.

Konsequenterweise hat das Bundesverfassungsgericht zudem entschieden, dass der vollständige Wegfall des Arbeitslosengeldes II (Hartz IV) wegen einer Pflichtverletzung verfassungswidrig ist. Nach dieser Entscheidung dürfen derzeit also keine Sanktionen über 30 % des Regelsatzes verhängt werden. Von einer Sanktionierung kann abgesehen werden, wenn dies zu einer außergewöhnlichen Härte führen würde. Die Behörde kann zudem die Leistungen wieder erbringen, sobald die Mitwirkungspflicht erfüllt wird oder der Leistungsberechtigte sich ernsthaft und nachhaltig bereit erklärt, den Pflichten nachzukommen.

Fundstelle: Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung Nr. 74/2019, Urteil vom 05.11.2019, Az. 1 BvL 7/16

Immer wieder weigern sich die Jobcenter Kosten von selbstständigen Beziehern von Hartz IV anzuerkennen, die aufstockende Leistungen erhalten. Ein Hauptproblem ist dabei, dass die sozialrechtliche Sichtweise von den steuerrechtlichen Vorschriften abgekoppelt ist. Es kann also durchaus sein, dass Betriebsausgaben steuerrechtlich als Kosten anerkannt werden, während sie sozialrechtlich nicht geltend gemacht werden können. Nun hat das Bundessozialgericht einen derartigen Fall zu entscheiden gehabt und klargestellt, dass grundsätzlich auch Leasingraten für ein Kraftfahrzeug der unteren Mittelklasse neben dem Pauschbetrag angesetzt werden können. Das gilt selbst dann, wenn die Einkünften des Hilfsbedürftigen 400,00 € nicht übersteigen. Entscheidend ist -wie so oft- eine Einzelfallprüfung. Bei den Fahrtkosten soll man allerdings zwischen den Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und weiteren darüber hinausgehenden Fahrten differenzieren müssen, nur letztere sollen (sozialrechtlich) als Betriebsausgaben berücksichtigungsfähig sein. Handykosten sollen nach der Entscheidung bereits von der Erwerbstätigenpauschale umfasst sein.

Fundstellen: Bundessozialgericht, Beschluss vom 05.06.2014, Az. B 4 AS 31/13 R, Pressemitteilung Nr. 14/14

In Berlin legt die Wohnaufwendungenverordnung (WAV) die Höhe der angemessenen Miete für Bezieher von Hartz IV fest. Die dort festgelegten Mietrichtwerte werden zum 01.03.2014 erhöht. Danach gelten für einen Einpersonenhaushalt für Miete und Heizung 423,00 € als angemessen. Die Miete muss daher grundsätzlich bis zu diesem Betrag vom Jobcenter übernommen werden. Die Richtwerte variieren je nach Heizungsart und Gebäudefläche. Für vier Personen steigt die vom Jobcenter übernommene Miete von 669,00 € auf 683,00 € (bei Fernwärme).

Fundstellen: Pressemitteilung vom 11.02.2014, Wohnaufwendungenverordnung (WAV)

Auch 2013 war die Erfolgsquote der Gerichtsverfahren gegen die Jobcenter beim Sozialgericht  Berlin hoch. 54 % der Verfahren hatten zumindest teilweisen Erfolg. Die Präsidentin des Sozialgerichts Berlin fordert daher die Arbeitsqualität der Jobcenter zu steigern. Hauptstreitpunkte vor Gericht waren Rückforderungsbescheide wegen zu viel gezahlter Leistungen, Leistungskürzungen aufgrund von Sanktionen und die fehlerhafte Anrechnung von Einkommen. Zudem waren die Betroffenen in jedem vierten Hartz IV – Verfahren auf einen Antrag auf Eilrechtsschutz angewiesen. 2013 gingen 26.594 neue Hartz IV – Verfahren beim Sozialgericht Berlin ein, 2012 waren es noch 28.666 (vgl. auch Blogartikel vom 15.01.2013:  „Flut rechtswidriger Hartz-IV-Bescheide hält an – Hartz IV für EU-Angehörige“).

Fundstelle: Sozialgericht Berlin, Pressemitteilung vom 14.01.2014

Die Frage, ob Bürger von EU-Mitgliedsstaaten einen Anspruch auf Hartz IV haben, wenn sie ausschließlich zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen, ist in der Rechtsprechung heftig umstritten (vgl. Blogartikel vom 15.01.2013: „Flut rechtswidriger Hartz-IV-Bescheide hält an – Hartz IV für EU-Angehörige“; Blogartikel vom 11.10.2013: „Anspruch auf Hartz IV für Migranten aus der EU“ und Blogartikel vom 12.12.2013: „Anspruch auf Hartz IV auch für arbeitssuchende EU-Bürger“). Teilweise wird ein Anspruch der EU-Bürger bereits aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen hergeleitet. Die Bundesregierung hatte aber am 19.12.2011 einen Vorbehalt gegen dieses Abkommen erklärt, weswegen viele Jobcenter Antragstellern aus EU-Ländern die Leistungsgewährung verweigerten. Einige Gerichte hielten den Vorbehalt der Bundesregierung für rechtlich unwirksam. Dieser Rechtsmeinung schließt sich das Bundessozialgericht allerdings offenbar nicht an. Damit ist aber die Frage noch nicht geklärt, ob der Leistungsausschluss für EU-Bürger nicht gegen andere europarechtliche Normen verstößt. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) soll nun die Frage beantworten, ob der Ausschluss für EU-Bürger gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Artikel 4 der Verordnung (EG) 883/2004 verstößt und inwieweit der Anspruch auf den Bezug von  Sozialleistungen für arbeitssuchende EU-Bürger gem. Art 24 Abs. 2 der FreizügigkeitsRL 2004/38/EG beschränkt werden kann. Zudem soll beantwortet werden, ob der ausnahmslose Leistungsausschluss einen Verstoß gegen Art 45 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art.18 AEUV darstellt, zumal die die Hartz-IV-Leistungen der Existenzsicherung dienen und gleichzeitig auch den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen. Das Bundessozialgericht hat diese Fragen zur Auslegung der Normen des Unionsrechts dem Gerichtshof der EU vorgelegt, so dass endlich mit Rechtsklarheit zu rechnen sein dürfte.

Fundstellen: Bundessozialgericht, Az. B 4 AS 9/13 R, Pressemitteilung Nr. 35/13

Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II (Hartz IV) stehen auch Bürgern aus EU-Staaten zu, die sich in Deutschland ausschließlich zur Arbeitssuche aufhalten. Das entschied das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG-NRW) hat mit Urteil vom 28.11.2013, Az. L 6 AS 130/13. Der im zweiten Sozialgesetzbuch enthaltene ausnahmslose Leistungsausschluss für Ausländer verstößt nach dem Urteil des Gerichts gegen Europarecht, da hierdurch das Gleichbehandlungsgebot für alle EU-Bürger aus Art. 4 der Unionsbürgerrichtlinie (Verordnung EU 883/2004) verletzt wird.  Die klagende rumänische Familie, die seit 2009 in Gelsenkirchen wohnt, hat danach einen Anspruch auf Hartz IV. Ein anderer Senat des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen kam bereits in einem ähnlich gelagerten Falls zu demselben Ergebnis, wobei es sich allerdings um die Frage, ob der Leistungsausschluss aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gegen das Recht der Europäischen Union verstößt, ein wenig herumargumentiert hatte (vgl. Blogartikel vom 11.10.2013: „Anspruch auf Hartz IV für Migranten aus der EU“). Der Europäische Gerichtshof hatte zudem mit Urteil vom 19.09.2013, Az. C-140/12, eine vergleichbare, österreichische Regelung wegen Verstoßes gegen Unionsrecht für rechtswidrig erklärt. Die Parteien CDU/CSU und SPD haben sich dementsprechend in dem vorliegenden Entwurf des Koalitionsvertrages darauf geeinigt, die soziale Absicherung zu verbessern, um einen gemeinsamen europäischen Arbeitsmarkt zu fördern (S. 163 des Koalitionsvertrags). Zu den Inhalten des Koalitionsvertrages erfahren Sie morgen an dieser Stelle mehr.

Fundstellen: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.11.2013, Az. L 6 AS 130/13, Pressemitteilung vom 29.11.2013; Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 19.09.2013, Az. C-140/12

Ausländer, die sich in Deutschland allein zum Zwecke der Arbeitssuche aufhalten, sind nach dem Sozialgesetzbuch II vom Anspruch auf Hartz IV (Arbeitslosengeld 2) ausgeschlossen. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat nun  mit Urteil vom 10.10.2013, Az. L 19 AS 129/13, entschieden, dass der Ausschluss dann nicht mehr greift, wenn die EU-Ausländer seit über einem Jahr erfolglos versucht haben, eine Arbeitsstelle zu finden und  die Arbeitssuche auch für die Zukunft objektiv nicht erfolgversprechend sei. Das Gericht sprach daher der rumänischen Familie, die seit 2009 in Gelsenkirchen von Kindergeld und dem Verkauf von Straßenzeitungen lebte, das Recht zu, Hartz-IV-Leistungen in Anspruch zu nehmen. Damit hat das Landessozialgericht entschieden, dass EU-Bürger ohne Aufenthaltsgrund im Sinne des gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsrechts ein Anspruch auf Hartz IV zusteht. Das Landessozialgericht hat mit dem Urteil allerdings nicht abschließend entscheiden, ob der Leistungsausschluss für EU-Bürger nicht ohnehin unwirksam ist. Das Bundessozialgericht hatte bereits mit Urteil vom 30.01.2013, Az. B 4 AS 54/12 R, Rn 28, im Rahmen der erfolgreichen Klage einer schwangeren Bulgarin bereits erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses mit dem geltenden EU-Recht geäußert (vgl. auch Blogartikel vom 15.01.2013: „Flut rechtswidriger Hartz-IV-Bescheide hält an – Hartz IV für EU-Angehörige“).

Fundstellen: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.10.2013, Az. L 19 AS 129/13, Pressemitteilung vom 10.10.2013; Bundessozialgericht, Urteil vom 30.01.2013, Az. B 4 AS 54/12 R

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) meint mit der Pressemitteilung vom 14.06.2013 darauf hinweisen zu müssen, dass die Grundsicherung (Hartz IV) dem Grundgesetz nicht widerspreche. Außerdem verletzten die Mitarbeiter der Jobcenter nicht die Würde der Kunden durch ihre Arbeit. Es gebe keine Zielvorgabe oder Anweisung, über Sanktionen Geld einzusparen. Zudem weist die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Pressemitteilung vom 14.06.2013 explizit darauf hin, dass in den Jobcentern keine seelenlosen Maschinen arbeiteten, die nur Zielvorgaben im Blick hätten. Es ist schon einigermaßen bezeichnend und spricht Bände, dass die Bundesagentur einen derartigen Hinweis für notwendig erachtet. Mit der Pressemitteilung will die Bundesagentur für Arbeit auf die geäußerte Kritik  der (inzwischen freigestellten) Mitarbeiterin des Hamburger Jobcenters, Frau Inge Hannemann, reagieren. Frau Hannemann wurde u. a. wegen kritischer Äußerungen auf ihrem Blog von ihrer Arbeit beim Jobcenter freigestellt, ihr wurde nicht gekündigt. Nach Ansicht der Bundesagentur sei Frau Hannemann nicht als Hartz IV-Rebellin oder als Whistleblowerin, die Missstände aufdecke, zu bezeichnen. Frau Hannemann versucht derzeit beim Arbeitsgericht Hamburg (Az. 15 Ga 3/13) im einstweiligen Rechtsschutz zu erreichen, dass sie ihrer Beschäftigung Arbeitsvermittlerin  weiter nachgehen darf.

Fundstelle: Bundesagentur für Arbeit, Presseinformation Nr. 035 vom 14.06.2013, Arbeitsgericht Hamburg, Az. 15 Ga 3/13, Pressemitteilung vom 06.06.2013 und 10.06.2013, Homepage und Blog von Frau Inge Hannemann

Die riesigen Überschwemmungen im Süden und Osten Deutschlands haben auch erhebliche Auswirkungen auf Bezieher von Arbeitslosengeld II (Hartz IV), wie die Bundesarbeitsagentur mit Presseinformation vom 06.06.2013 mitgeteilt hat. So muss ein Hilfebedürftiger seiner sozialrechtlichen Meldepflicht dann nicht wie sonst nachkommen, wenn er sich als freiwilliger Helfer bei der Hochwasserbekämpfung engagiert. Außerdem muss er während dieses Zeitraums keine Maßnahmen- oder Beschäftigungsangebote annehmen. Etwaige deswegen vom Jobcenter erlassene Sanktionsbescheide wären rechtswidrig. Weiterhin besteht die Möglichkeit einen Antrag auf Erstausstattung für den durch die Flut zerstörten Hausrat zu stellen, die Jobcenter müssen die Kosten für die erneute Ausstattung der Wohnung übernehmen, wenn diese Kosten weder durch eine Versicherung noch durch ein anderweitiges Nothilfeprogramm erstattet werden. Zudem werden geleistete Soforthilfen für das Hochwasser nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet.

Fundstelle: Bundesagentur für Arbeit, Presseinformation  vom 06.06.2013, Info 033

Verhängt das Jobcenter eine Sanktion gegen einen Bezieher von Hartz IV und kürzt dabei die Leistungen für die Miete, so dürfen die anderen Familienmitglieder nicht einfach in Mithaftung genommen werden. Unter Umständen müssen die Leistungen für Unterkunftskosten dann für die anderen in der Wohnung lebenden Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entsprechend erhöht werden. Das Bundessozialgericht (BSG) entschied daher mit Urteil vom 23. Mai 2013, Az. B 4 AS 67/12 R, dass sich infolge einer sanktionsbedingten Kürzung des Anteils der Miete für ein Familienmitglied auf 0,00 € sich die zu tragenden Wohnungsaufwendungen für die anderen Familienmitglieder erhöht haben. Das Jobcenter hätte ihnen gegenüber einen entsprechend höheren Betrag für die Miete und die Nebenkosten genehmigen müssen. Das Bundessozialgericht merkt in der Pressemitteilung vom 23.05.2013 zum einen an, dass bereits fraglich sei, ob das Jobcenter  den Mietanteil des sanktionierten Familienmitglieds überhaupt auf 0,00 € kürzen durfte.  Zum anderen weist das Gericht darauf hin, dass es insoweit auch irrelevant sei, dass die verhängte Sanktion nun teilweise ins Leere laufe, denn das Sozialrecht kenne kein Mithaftung für das Fehlverhalten anderer Familienmitglieder.

Fundstellen: Bundessozialgericht, Urteil vom 23.05.2013, Az. B 4 AS 67/12 R, Pressemitteilung Nr. 13/13

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Beschluss vom 23.05.2013, Az. B 4 AS 79/12 R, entschieden, dass Jobcenter nach dem Sozialgesetzbuch II (Hartz IV) auch dann die Kosten für ein Jugendbett als Erstausstattung übernehmen müssen, wenn zuvor bereits die Kosten für ein Kindergitterbett übernommen worden waren. Das Kindergitterbett war für das Kind der Hartz-IV-Bezieherin zu klein geworden, dennoch lehnte das Jobcenter Freiburg die Übernahme der Kosten für ein dem Kind passendes Jugendbett mit Lattenrost ab, das Landessozialgericht Baden-Württemberg sah darin eine Ersatzbeschaffung und gab dem Jobcenter daher zunächst Recht. Das Bundessozialgericht hob nun die Entscheidung des Landessozialgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landessozialgericht zurück. Das Bundessozialgericht stellte insoweit fest, dass auch der Bedarf für ein Jugendbett als Erstausstattung der Wohnung anzusehen ist, wenn dieser Bedarf ausschließlich auf das Wachstum des Kindes (und nicht etwa auf eine Erstbeschaffung im Rahmen eines Umzugs) zurückzuführen ist.

Fundstellen: Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.05.2013, Az. B 4 AS 79/12 R, Pressemitteilung Nr. 14/13

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) hat laut Pressemitteilung vom 25.04.2013 mit Urteil vom selben Tag (Az. L  36 AS 2095/12 NK) entschieden, dass die Berliner Wohnaufwendungenverordnung (WAV) unwirksam ist. In der WAV werden allgemeine Richtwerte festgelegt bis zu denen die Kosten für eine Mietwohnung eines Hartz-IV-Empfängers von den Berliner Jobcentern regelmäßig übernommen werden müssen (vgl. Blogartikel vom 05.04.2012: „Berlin: Neue Mietrichtwerte ab 01. Mai 2012 für für Hartz-IV-Bezieher“). Nach Ansicht des Landessozialgerichts wurde der Wert für die Heizkosten methodisch falsch hergleitet und verstößt somit gegen die gesetzlichen Vorgaben des Sozialgesetzbuches 2  (SGB II). Entgegen der Berichterstattung in den Medien hat das Landessozialgericht damit keinerlei Aussage darüber getroffen, ob die in der Verordnung niedergelegten Werte zu hoch, angemessen oder zu niedrig sind.

Fundstellen: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.04.2013, Az. L  36 AS 2095/12 NK, Pressemitteilung vom 25.02.2013, Blogartikel vom 05.04.2012: „Berlin: Neue Mietrichtwerte ab 01. Mai 2012 für für Hartz-IV-Bezieher“

Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 19.12.2012, Az. L 6 AS 611/11, entschieden, dass eine jährliche Berechnung des Einkommens Selbstständiger, die mit Hartz IV aufstocken müssen, vorgenommen werden darf, wenn nur in einzelnen Monaten des jeweiligen Jahres Einkünfte erzielt werden.  Zwar ist grundsätzlich auf den Bewilligungszeitraum von 6 Monaten abzustellen, eine jahresbezogene Betrachtung kann aber bei sehr unregelmäßigen Einnahmen erforderlich sein. Die Gesamteinkünfte werden in einem solchen Fall monatlich nur zu einem Zwölftel statt zu einem Sechstel berücksichtigt. Auf der anderen Seite werden die Einkünfte auf mehr Monate verteilt, was in einzelnen Monaten dann durchaus auch zu niedrigeren Sozialleistungen führen kann.

Fundstellen: Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.12.2012, Az. L 6 AS 611/11, Pressemitteilung Nr. 4/2013 vom 05.02.2013

Die Flut rechtswidriger Bescheide der Berliner Jobcenter bricht nicht ab, wie man an der Jahresbilanz des Sozialgerichts Berlin erkennen kann. Die Anzahl der eingereichten Klagen hat sich beim Sozialgericht im Jahr 2012 weiter erhöht, wie die Präsidentin des Sozialgerichts Berlin, Frau Sabine Schudoma, am 10.01.2013 bekannt gegeben hat. Im Jahr 2012 wurden insgesamt 44301 neue Verfahren beim Sozialgericht Berlin verzeichnet, 2011 betrug die Zahl der Eingänge beim Gericht noch 43832 (vgl. Blogartikel „Sozialrechtliche Bilanz 2011“ vom 17.01.2011) Rund 65 % der eingehenden Verfahren betreffen Rechtsstreitigkeiten rund um Hartz IV (ALG II). Die Erfolgsaussichten sind dabei weiterhin gut, bei Streitigkeiten mit dem Jobcenter betrug die Erfolgsquote der Verfahren 54 %.

Hinsichtlich der Leistungsansprüche von Arbeitssuchenden aus dem europäischen Ausland besteht immer noch keine Rechtseinheitlichkeit, ein Urteil des Bundessozialgerichts steht weiterhin aus. Derzeit muss nach den jeweiligen Herkunftsländern differenziert werden, Bedürftigen mit spanischer und polnischer Nationalität wurde der Anspruch auf Hartz IV von den Gerichten zugesprochen (Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 14.05.12, Az. S 124 AS 7164/12 ER; Urteil vom 08.08.12, Az. S 173 AS 18394/11; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. 8. 12 – L 19 AS 1851/12 B ER). Bedürftige mit britischer, bulgarischer, und griechischer Nationalität unterlagen dagegen vor Gericht (Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 11. 6. 12 – S 205 AS 11266/12 ER; Beschluss vom 10.05.12, Az. L 20 AS 802/12 B ER; Beschluss vom 06.08.12, Az. L 5 AS 1749/12 B ER).

Fundstelle: Sozialgericht Berlin, Pressemitteilung vom 10.01.2013

Das Sozialgericht Berlin hat laut Presseerklärung vom 25.04.2012 die neue Berechnung der Regelsätze von Hartz IV dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung vorgelegt, weil nach der Auffassung des Sozialgerichts Berlin die Höhe der Regelsätze vom Gesetzgeber in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgelegt wurden. Zum einen wurde die Referenzgruppe, die der statistischen Bedarfsermittlung zugrunde liegt, fehlerhaft bestimmt. Zum anderen seien in rechtswidriger Weise Kürzungen bei den Ausgaben u. a. für Verkehr, alkoholische Getränke, Mahlzeiten in Gaststätten und Kantinen, Schnittblumen vorgenommen worden. Ein Ein-Personen-Haushalt erhält nach den Berechnungen des Sozialgerichts Berlin – wie im Beschluss vom 25. April 2012, Az. S 55 AS 9238/12, ausgeführt wird – monatlich 36,00 € zu wenig, ein Drei-Personenhaushalt müsste 100,00 € mehr erhalten, damit das soziokulturelle Existenzminimum der Hilfebedürftigen nicht unterschritten wird. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 09.02.2010, Az. 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, muss der Gesetzgeber die Regelsätze zumindest so hoch bemessen, dass das aus Art. 1 Abs. 1 GG (Grundgesetz) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG abgeleitete soziokulturelle Existenzminimum gewährleistet wird, außerdem muss der Gesetzgeber die Verfassungsmaßstäbe der Systemgerechtigkeit, Normenklarheit, Folgerichtigkeit sowie das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG) einhalten. Die neue Berechnung der Regelsätze hält diesen Anforderungen nach der Ansicht des Sozialgerichts Berlin nicht stand.

Fundstellen: Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 25. April 2012, Az. S 55 AS 9238/12; Pressemitteilung vom 25.04.2012; Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 09.02.2010, Az. 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09; Allgemeine Informationen zum Sozialrecht

Auch 2011 wurden zahlreiche Empfänger von Arbeitslosengeld II von den Berliner Jobcentern mit der Begründung zum Umzug aufgefordert, dass deren Wohnkosten unangemessen hoch seien. Die Berliner Jobcenter richten sich dabei zumeist nach den Ausführungsvorschriften zur Gewährleistung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 29 und 34 SGB XII (AV-Wohnen). Danach soll für einen 2-Personen-Haushalt beispielsweise eine maximale Bruttowarmmiete von 444,00 € angemessen sein. Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen sind dabei bereits Bestandteil der Bruttowarmmiete. Das Jobcenter übernimmt bei einem Überschreiten der Richtwerte die Miete regelmäßig nicht länger als 6 Monate, danach fordert es die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft auf, die Wohnung zur Kostenreduzierung zu wechseln. Die Mietkosten werden dann regelmäßig nur noch in Höhe der Richtwerte der AV-Wohnen übernommen, was zur Folge haben kann, dass es den betroffenen Arbeitslosengeldempfängern an den nötigen Mitteln fehlt, die laufende Miete zu begleichen. In der Folge kann entsprechend zur Anhäufung von Mietschulden und dem Ausspruch von Kündigungen durch die Vermieter wegen Zahlungsverzuges kommen. Gerade die folgenden Räumungsklagen können für die bedürftigen Mieter dann durchaus äußerst kostspielig enden. Daran hat selbst das Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.10.2010, Az. B 14 AS 50/10 R, nichts Grundlegendes ändern können, darin stellte das Bundessozialgericht fest, dass hinsichtlich der Richtwerte der AV-Wohnen ein schlüssiges Konzept zu deren Berechnung nicht erkennbar sei. Zudem sei die AV-Wohnen als Verwaltungsvorschrift in Bezug auf die betroffenen Arbeitslosen ohnehin nicht rechtsverbindlich (vgl. „Sozialrechtliche Bilanz 2011“ vom 17.01.2012).

Laut der Antwort der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales auf die kleine Anfrage der Abgeordneten, Frau Elke Breitenbach und Frau Kathrin Lompscher (beide „Die Linke“), vom 23.01.2012 erhielten in Berlin im Jahr 2011 durchschnittlich 99.148 Bedarfsgemeinschaften Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) oberhalb der Richtwerte der Ausführungsvorschrift Wohnen (AV-Wohnen). Die meisten davon leben im Bezirk Mitte (14.027). Zu bedenken ist dabei, dass einer Bedarfsgemeinschaft zahlreiche Personen angehören können. Von den 99.148 Bedarfsgemeinschaften wurden 2011 insgesamt 65.511 aufgefordert die Wohnungskosten zu senken. Die Zahl der Zwangsumzüge stieg von 428 im Jahr 2009 auf 1.313 im Jahr 2011. Dabei werden allerdings nur die Umzüge innerhalb eines Bezirks erfasst, nicht die Umzüge über die Bezirksgrenzen hinaus. Die tatsächliche Anzahl der Zwangsumzüge dürfte daher noch deutlich höher liegen. Das erstaunt auch kau, da die Richtwerte seit 2005 trotz steigender Mieten kaum angepasst wurden. Die Senatsverwaltung hat nun immerhin angekündigt, im ersten Halbjahr 2012 eine rechtsverbindliche Rechtsverordnung zur Bestimmung der angemessenen Höhe der Wohnkosten zu beschließen.

Fundstellen: Antwort der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales auf die kleine Anfrage vom 23.01.2012, Drucksache Nr. 17/10149; Ausführungsvorschriften zur Gewährleistung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 29 und 34 SGB XII (AV-Wohnen) vom 10.02.2009; Bundessozialgericht, Urteil vom 19.10.2010, Az. B 14 AS 50/10 R; Allgemeine Informationen zum Sozialrecht

Das größte Sozialgericht Deutschlands, das Sozialgericht Berlin, hat am 11.01.2012 Bilanz über das vergangene Jahr 2011 gezogen. 2011 gingen dort (im 12 Minuten Takt) insgesamt 43.832 neue Verfahren ein, damit ist ein geringer Rückgang im Vergleich zum Jahr 2010 zu verzeichnen. 30732 Klagen waren dabei dem Komplex „Hartz IV“ zuzurechnen. (vgl. Graphik). Die Hartz-IV-Verfahren machen einen Anteil von zirka 70 % der gesamten Verfahren aus (vgl. Graphik). Im Vergleich zum Jahr 2004 ist die Anzahl der jährlich eingereichten Klagen und Verfahren um 24235 Verfahren gestiegen (vgl. Graphik). Die Präsidentin des Sozialgerichts Berlin führt insoweit aus: „Kein Kläger bläst zum Sturm auf unser Sozialsystem. Kaum einer prozessiert aus Prinzip.“ Die vier Hauptursachen der Klagen seien vielmehr folgende: Kosten der Unterkunft, Anrechnung von Einkommen auf Leistungen, Leistungskürzungen aufgrund von Sanktionen und die Verletzung gesetzlicher Bearbeitungsfristen durch die Jobcenter. Gerade bei den Unterkunftskosten entzündet sich oft der Rechtsstreit an der Tabelle der Jobcenter nach der Verwaltungsvorschrift „AV-Wohnen“, denn diese hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 50/10 R, für rechtswidrig erklärt. Neue rechtmäßige Mietgrenzwerte sind aber  seitdem (in Berlin) vom Gesetzgeber nicht festgelegt worden. Die Erfolgsquote der Verfahren beim Sozialgericht blieb auch 2011 bei 54 % unverändert hoch. Ein Verfahren dauert beim Sozialgericht Berlin durchschnittlich 12 Monate. Dennoch ist ein Aktenstau von 40.210 unerledigter Verfahren mittlerweile angefallen (vgl. Graphik).

Bedenkt man, dass auch viele Widerspruchsverfahren Erfolg haben, dann ist die hohe Erfolgsquote ebenso beachtlich wie die Fehleranfälligkeit von Bescheiden der Agentur für Arbeit bzw. der Jobcenter. Bei der durchschnittlichen Verfahrensdauer hat das Sozialgericht allerdings offensichtlich die vielen Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz mitgerechnet, die sich nach wenigen Tagen bzw. Wochen erledigen, welche den Durchschnitt deutlich gedrückt haben dürften. Insgesamt kann es sich durchaus lohnen, seinen Bescheid fachkundig überprüfen zu lassen.

Fundstellen: Sozialgericht Berlin, Presseerklärung vom 11.01.2012; Bundessozialgericht, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 50/10 R; Allgemeine Informationen zum Sozialrecht

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 21.6.2011, Az. B 4 AS 128/10 R, entschieden, dass jemand, der im geschlossenen Vollzug eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt, kein Anspruch auf Hartz IV (Arbeitslosengeld II) zusteht. Wird in einem strafrechtlichen Verfahren rechtskräftig eine Geldstrafe verhängt, die der Verurteilte anschließend nicht zahlt, so wird -außer in Härtfeällen- eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Einem Tagessatz entspricht ein Tag Freiheitsstrafe (vgl. § 43 StGB). Die Ersatzfreiheitsstrafe darf nur verhängt werden, wenn sie unerbringlich ist. Das bedeutet, dass die Vollstreckung der Geldstrafe erfolglos betrieben worden sein muss. Regelmäßig bestehen bei Zahlungsunfähigkeit auch die Möglichkeiten eine Ratenzahlung (vgl. § 42 StGB) zu vereinbaren oder auf Antrag die Geldstrafe durch Ableisten von gemeinnütziger Arbeit zu begleichen (vgl. § 1 Tilgungsverordnung Bln). Mit sechs Stunden freier Arbeit wird bei letzterem ein Tagessatz der Geldstrafe getilgt. Für die Vollstreckung ist die Staatsanwaltschaft zuständig. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist neben der Straf- und Untersuchungshaft die dritthäufigste freiheitsentziehende Maßnahme. Im vorliegenden, vom BSG zu entscheidenden Fall wurde die Ersatzfreiheitsstrafe für 3 Monate im geschlossenen Vollzug für den Kläger angeordnet. Der Kläger befand sich im laufenden Bezug von Arbeitslosengeld nach dem SGB II. Darauf hob das Jobcenter den Hartz-IV-Bewilligungsbescheid wegen Wegfalls des Leistungsanspruchs auf. Denn der Bedürftige muss dem Arbeitsmarkt zu einer mindestens 15 Wochenstunden umfassenden Erwerbsarbeit zur Verfügung stehen (vgl. § 7 Abs. 4 SGB II). Der Aufenthalt im sogenannten Regelvollzug einer Justizvollzugsanstalt (JVA) ohne Freigang biete diese Möglichkeit nicht. Das BSG begründete die Entscheidung allerdings vorrangig damit, dass es sich auch bei der Ersatzfreiheitsstrafe um eine richterlich angeordnete Maßnahme der Freiheitsentziehung handele, die automatisch zum Leistungswegfall führe. Denn bei jeder Verurteilung zu einer Geldstrafe werde die Ersatzfreiheitsstrafe bei Nichtzahlung der Geldstrafe mitgedacht und mitverhängt und trete als echte Strafe ohne rechtsgestaltenden Akt an die Stelle der Geldstrafe. Der Bedürftige sei darüber hinaus verpflichtet, den bevorstehenden Haftantritt zumindest vorsorglich dem Jobcenter mitzuteilen.

Anders verhält es sich übrigens beim Ableisten von sozialer Arbeit statt Strafe, dabei steht der Verurteilte dem Arbeitsmarkt weiterhin zu Verfügung, da er jederzeit die gemeinnützige Arbeit abbrechen und einen regulären Job annehmen kann, er behält also währenddessen seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV).

Fundstelle: Bundessozialgericht, Urteil vom 21.6.2011, B 4 AS 128/10 R

Wird in einem Strafverfahren auf eine Geldstrafe entscheiden, so ist es höchst umstritten, wie sich die Höhe der Tagessatzhöhe berechnet, wenn der Verurteilte bedürftig ist, z. B. Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II, auch als Hartz IV bezeichnet) bezieht. Die Geldstrafe setzt sich grundsätzlich aus der Tagessatzanzahl und der Tagessatzhöhe zusammen.  Die Anzahl der Tagesätze wird nach der Schuld der begangenen Tat des Verurteilten beurteilt. Die Höhe der Tagessätze richtet sich dagegen nach den täglichen Nettoeinkünften.  Das Oberlandesgericht Köln hat am 10.06.2011, Az. III–1 RVs 96/11, beschlossen, dass die Festlegung der Tagessatzhöhe auf 10 € für einen Hartz-IV-Empfänger grundsätzlich nicht zu beanstanden ist.  Dem lag die Verurteilung einer allein erziehenden Mutter wegen gemeinschaftlichen Diebstahls zu 70 Tagessatzen zu je 10 € (Tagessatzhöhe) zugrunde. Ihren Lebensunterhalt für sich und ihre drei Kinder bestritt sie ausschließlich durch den Bezug von Arbeitslosengeld II und Kindergeld. Auch wenn das Gericht die Tagessatzhöhe für nicht unangemessen ansah, so änderte es doch das vorhergehende Urteil des Landgerichts Aachen in der Weise ab, dass Zahlungserleichterungen in der Form von Ratenzahlungen gestattet wurden. Das OLG Köln setzte die Raten auf monatlich 35 € fest. Es betont bei der Entscheidung, dass der Verurteilten, die als Hartz IV-Empfängerin am Rande des Existenzminimums lebt, das zum Lebensbedarf Unerlässliche verbleiben muss. Das OLG Köln legte dabei 75 % des Regelsatzes der Sozialhilfe als Grenzwert an. Danach muss der Hilfebedürftigen nach Abzug der Raten der Geldstrafe ein Betrag in Höhe von 269,26 € verbleiben. Mittlerweile hat sich der Regelsatz der Sozialhilfe von 359 € auf 364,00 € erhöht, legt man die Ansicht des OLG Köln zugrunde, muss dem Verurteilten daher nunmehr ein Betrag in Höhe von 273,00 € verbleiben.  Der Streit um die Berechnung der Tagessatzhöhe ist durch den Beschluss zwar nicht gelöst, aber zumindest ein fester, berechenbarer Wert für das unerlässliche Existenzminimum festgelegt worden.

Fundstelle: Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 10.06.2011, Az. III–1 RVs 96/11 ; vgl. Rechtsprechungsdatenbank Nordrhein-Westfalen

Zum Seitenanfang