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Die große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hat mit Urteil vom 13.12.2012 das Land Mazedonien einstimmig verurteilt an den deutschen Staatsangehörigen, Herrn Khaled El-Masri, eine Entschädigung in Höhe von 60.000 € wegen rechtswidriger Eingriffe in dessen Rechte aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu zahlen. Das Gericht sah als erwiesen an, dass Herr El-Masri einer geheimen Überstellung (extraordinary rendition) unterzogen wurde. Nachdem er von der mazedonischen Polizei festgenommen worden war, wurde er in einem Hotel in Skopje 23 Tage lang ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten, auf Englisch verhört und misshandelt, anschließend wurde er an ein Überstellungsteam (rendition team) der CIA überstellt, das ihn in ein Geheimgefängnis in Afghanistan brachte, wo er über vier Monate lang weiter misshandelt wurde.

Herrn El-Masri wurde nach dem Urteil vorsätzlich emotionales und psychologisches Leid zugefügt, um Informationen über seine angeblichen Verbindungen zu terroristischen Organisationen zu erhalten. Die Mitglieder des Überstellungsteams der CIA haben Herrn El-Masri nach den Feststellungen des Urteils u. a. verprügelt, vergewaltigt und gefesselt (sogenannte „capture-shock“-Behandlung). Durch die Überstellung des Herrn El-Masri an die Behörden der USA wurde Herr El-Masri der konkreten Gefahr weiterer konventionswidriger Behandlung ausgesetzt.

Das Gericht sah darin Verstöße gegen das Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, gegen das Recht auf Freiheit und Sicherheit, gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie gegen das Recht auf wirksame Beschwerde.

Fundstellen: Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 13.12.2012, El-Masri gegen die „Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien“, Beschwerdenummer 39630/09 (englisch, 4,5 MB), Pressemitteilung Nr. 453 (deutsch, pdf-Datei), Video der öffentlichen Verhandlung der Großen Kammer vom 16.05.2012

Entschädigungen zwischen 49.000 € und 73.000 € muss das Land Baden-Württemberg an ehemalige Sicherungsverwahrte als Wiedergutmachung zahlen. Nach den jetzt veröffentlichten Urteilen des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG Karlsruhe) vom 29.11.2012  waren die wegen versuchten Mordes, Vergewaltigung und anderer Straftaten zu langen Freiheitsstrafen verurteilten Personen zu lange nach Verbüßung der Freiheitsstrafe der Sicherungsverwahrung ausgesetzt. Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche der Inhaftierten ergeben sich nach dem Urteil unmittelbar aus Art. 5 Abs. 5 der Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), da die Freiheit der Verwahrten entgegen Art. 5 Abs. 1 EMRK rechtswidrig beschränkt worden war. Die ausgeurteilte Entschädigung beträgt jeweils 500,00 EUR pro Monat.

Die Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung hat zwar zum Anordnungszeitpunkt der damaligen Rechtslage entsprochen und wurde von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für verfassungskonform gehalten (vgl. Blogartikel vom 07.12.2011 „Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung – Gewisse Gefährlichkeit nicht ausreichend“), das ändert aber am Entschädigungsanspruch der Inhaftierten nichts, da der Anspruch kein Verschulden der staatlichen Organe voraussetzt.

Fundstellen: Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteile vom 29.11.2012, Az. 12 U 60/12, 12 U 61/12, 12 U 62/12, 12 U 63/12, Pressemitteilung vom 30.11.2012, Blogartikel vom 07.12.2011 „Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung – Gewisse Gefährlichkeit nicht ausreichend“

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Bundesrepublik Deutschland mit Urteil vom 08.11.2011, Beschwerdenummern 8080/08 und 8577/08, einstimmig  wegen Freiheitsentziehung und Verstoß gegen die Versammlungsfreiheit verurteilt. Die zwei Beschwerdeführer waren im Juni 2007 zum G8-Gipfel in Heiligendamm  nahe Rostock gereist, um dort an den Demonstrationen teilzunehmen. In Rostock wurden sie auf einem Parkplatz vor einer Justizvollzugsanstalt kontrolliert. Bei der Kontrolle fanden die Polizisten Transparente mit den Aufschriften „free all now“ und „Freedom for all prisoners“ im Besitz der Beschwerdeführer. Daraufhin wurden die Beschwerdeführer für fast 6 Tage mit der Begründung in Polizeigewahrsam genommen, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sie in Freiheit Straftaten begehen würden. Das Amtsgericht Rostock bestätigte diese Maßnahme, da durch die Transparente belegt sei, dass die Beschwerdeführer zur Befreiung von Gefangenen aufrufen wollten. Das Landgericht Rostock und das Oberlandesgericht wiesen die von den Beschwerdeführern  eingelegten Rechtsmittel gegen die vorbeugenden Festnahmen umgehend zurück. Wobei selbst das Oberlandesgericht Rostock in seinem konventionswidrigen Beschluss vom 07.06.2007, Az. 3 W 83/07, in Bezug auf Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (Meinungsfreiheit) festhielt: „Dem Betroffenen ist zuzugeben, dass die Aufschriften auf den Transparenten mehrdeutig sind.“ Die eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde ebenfalls abgelehnt, nachdem es das Bundesverfassungsgericht bereits  abgelehnt hatte, eine Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Anordnung herbeizuführen. Das Strafverfahren gegen die Beschwerdeführer wurde später eingestellt. Als Rechtsgrundlage für die mehrtägige Ingewahrsamnahme diente § 55 Abs. 1 S. 2 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (SOG-MV). Nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG-MV kann eine Person nur in Gewahrsam genommen werden, wenn dies unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat zu verhindern. Nach dem nun ergangenen Kammerurteil des EGMR verstieß die Festnahme auf Grundlage von § 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG-MV im konkreten Fall gegen Artikel 5 Abs. 1 und Art. 11  der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Artikel 5 Abs. 1 EMRK regelt das Recht auf Freiheit und Sicherheit, Artikel 11 die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Der EGMR hält die Ingewahrsamnahme für nicht notwendig, denn es hätte vollkommen ausgereicht, die Plakate zu beschlagnahmen. Das wäre auch auf Grundlage von  § 61 Abs. 1 SOG-MV möglich gewesen. Die vorbeugende Ingewahrsamnahme lediglich zum Zwecke mögliche künftige Straftaten zu verhindern, verstoße laut dem Urteil zudem auch deshalb gegen Art. 5 Abs. 1 EGMR, weil dadurch in die geschützten Rechte der Beschwerdeführer in unzulässiger Weise eingegriffen werde. Die mehrtägige Ingewahrsahmnahme mit dem weiteren Zweck, zu verhindern, dass die Beschwerdeführer ihre mitgeführten Transparente auf der Demonstration zeigen konnten, war zudem ein menschenrechtswidriger und unverhältnismäßiger Eingriff in die Versammlungsfreiheit. Die Beschwerdeführer beabsichtigten zulässiger Weise mit den Plakaten gegen das Sicherheitsmanagement der Polizei, insbesondere die hohe Zahl der Festnahmen, zu protestieren. Die Bundesrepublik muss nun je 3000,00 € Schadenersatz für immaterielle Schäden (Schmerzensgeld) an die Beschwerdeführer zahlen und deren Kosten in Höhe von je zirka 4.500 € ausgleichen (vgl. Art. 41 EGMR). Es ist schon einiger Maßen bestürzend, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden (Az. 2 BvR 1521/07 und 2 BvR 1520/07) der zu Unrecht Inhaftieren laut Urteil vom 08.11.2011 ohne Begründung am 06.08.2007 abgelehnt hat und erst der EGMR die Sache durch das einstimmig ergangene Urteil über vier Jahre nach der Grundrechtsverletzung wieder geraderücken muss.

Fundstellen: Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 08.11.2011, „CASE OF SCHWABE AND M.G. v. GERMANY“, Beschwerdenummern 8080/08 und 8577/08 (Urteil in englischer Sprache); Presseerklärung vom 01.12.2011 (in deutscher Sprache);  Oberlandesgericht Rostock, Beschluss vom 07.06.2007,  Az. 3 W 83/07 (welcher laut dem oben zitierten Urteil des EGMR gegen die EMRK verstößt)

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