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Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte über die Regelung zur Befreiung von der Maskenpflicht bei Vorlage eines ärztlichen Attests zu entscheiden.

Nach der Verordnung des Landes Brandenburg (Dritte Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg vom 15.12.2020) mussten Personen, denen die Verwendung einer Mund-Nasen-Bedeckung wegen einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist, dies grundsätzlich vor Ort durch ein schriftliches ärztliches Zeugnis im Original nachzuweisen. Weiter musste das Attest mindestens den vollständigen Namen und das Geburtsdatum, die konkret zu benennende gesundheitliche Beeinträchtigung (Diagnose) sowie konkrete Angaben beinhalten, warum sich hieraus eine Befreiung von der Tragepflicht ergibt.

Diese Regelung hielt das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung über den Eilantrag für nicht rechtmäßig. Zwar könne der Verordnungsgeber die Vorlage des Attests im Original verlangen, nicht jedoch die Angabe der Diagnose vorschreiben. Das Oberverwaltungsgericht kam im Rahmen der in Eilrechtsverfahren üblichen Folgenabwägung zu dem Ergebnis, dass  schon fraglich sei, ob der datenschutzrechtliche Eingriff im Infektionsschutzgesetz eine hinreichende Rechtsgrundlage finde. Jedenfalls drohe dem Antragsteller, dass er seine konkrete Diagnose und sich daraus ergebene Folgen an einer Vielzahl von nicht-öffentlichen Stellen (Geschäfte, öffentliche Verkehrsmittel, Arbeits- und Betriebsstätten, Büro- und Verwaltungsgebäude, Versammlungen unter freiem Himmel, religiöse Veranstaltungen) vor Ort offenbaren müsse. Diese Stellen waren ihrerseits nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet, Bußgelder drohten diesen nicht.

Die Regelung, dass das Attest auch eine Diagnose enthalten müsse, wurde daher vom Oberverwaltungsgericht vorläufig außer Kraft gesetzt. Mittlerweile (Stand 31.01.2021) hat das Land Brandenburg die Regelung geändert, danach muss das Attest nur dann zusätzlich konkrete Angaben beinhalten, warum die betroffene Person von der Tragepflicht befreit ist, wenn es bei Behörden oder Gerichten vorgelegt wird. Eine Kopie des Attests darf nicht gefertigt werden (vgl. Fünfte SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung des Landes Brandenburg vom 22.01.2021).

Fundstellen: Oberverwaltungs­gericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.01.2021, Az. OVG 11 S 132/20, Beschluss vom 06.01.2021, Az. OVG 11 S 138/20; Pressemitteilung vom 07.01.2021

Eine historische Frage hatte das Verwaltungsgericht Potsdam zu klären. In dem Gerichtsstreit ging es um die Frage, ob die Bekennende Kirche bzw. deren Mitglieder im Dritten Reich als Kollektiv der Verfolgung (im Sinne des Vermögensgesetzes) ausgesetzt waren.

Die Klägerseite forderte Rückübertragung eines Grundbesitzes nach dem Vermögengesetz in Verbindung mit der Rückerstattungsanordnung (REAO). Aus Sicht der Klägerseite handelte es sich um einen Zwangsverkauf zu Zeiten der nationalsozialistischen Herrschaft. Dieser sei u. a. deshalb erfolgt, weil der damalige Eigentümer Mitglied der Bekennenden Kirche war und diese im Dritten Reich aus religiösen Gründen einer Kollektivverfolgung unterlagen. Die Klägerseite machte einen Anspruch auf Rückübertragung geltend, weil die Nationalsozialisten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags zwischen dem Alteigentümer und der Stadt Berlin über das Grundstück im Jahre 1937 die Zerschlagung der Bekennenden Kirche in ihrer Gesamtheit beabsichtigten. Die Kläger hatten vorgebracht, dass es sich bei der Bekennenden Kirche um eine im Verhältnis zur Gesamtzahl der Protestanten im Deutschen Reich kleine Gruppierung gehandelt habe, deren Mitglieder sich dazu verpflichtet hatten, durch ihr Bekenntnis zum unverfälschten Evangelium das Bestreben des NS-Regimes zu bekämpfen, den Nationalsozialismus als neue Religion mit Adolf Hitler als neuen Erlöser einzusetzen. Die Klägerseite war der Meinung, dass die Bekennende Kirche damit in ihrer Gesamtheit aus Sicht der Nationalsozialisten zu den wichtigsten Weltanschauungsgegnern zählte. Der nationalsozialistische Staat habe gegenüber der Bekennenden Kirche nicht nur zum Mittel der Finanzaufsicht gegriffen, sondern die Ausbildung und Ordination von Pfarrern sowie die Publikation oder Kanzelabkündigung von kirchenpolitischen Äußerungen und von Beschlüssen der Bekenntnissynoden verboten. Der Bekennenden Kirche sei es daher nur noch durch illegale Verbreitung von Flugblättern und Schriften möglich gewesen, gegen die antichristlichen Bestrebungen des nationalsozialistischen Regimes anzugehen; die Verfasser, Austräger und Verleger dieser Schriften seien verfolgt worden.

Das Verwaltungsgericht Potsdam hatte die Klage bereits mit Urteil vom 07.11.2013, Az. 1 K 2032/08, abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte das Urteil allerdings mit Beschluss vom 18.12.2014, Az. 8 B 55/14 wieder aufgehoben, die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen und angeregt, ein Sachverständigengutachten zur Frage der Kollektivverfolgung der Bekennenden Kirche durch den nationalsozialistischen Staat einzuholen. Dem ist das Verwaltungsgericht nun nachgekommen, es hat die Klage allerdings erneut abgewiesen. Denn das eingeholte Gutachten komme zu dem Ergebnis, dass in der historischen Forschung weithin Einigkeit bestehe, dass die Bekennende Kirche keine Widerstandsbewegung gegen das NS-Regime war, auch nicht in ihrem Selbstverständnis.

Das Verwaltungsgericht Potsdam führt in dem Urteil aus, dass die Bekennede Kirche eine theologisch motivierte Gegenbewegung zu den Deutschen Christen gewesen sei und in Teilen zur staatlichen Kirchenpolitik, ohne aber die NS-Ordnung grundlegend in Frage zu stellen. Nur Einzelpersonen hätten diese Politik des Schweigens durchbrochen. Zwar habe die Bekenntniskirche dem Regime als innenpolitischer Störfaktor gegolten. Wegen ihrer Größe, bedeutender Verflechtungen zu den gesellschaftlichen Funktionseliten und internationaler Solidarbeziehungen habe sie jedoch geduldet werden müssen. Aus der Wahrnehmung weltanschaulicher NS-Rigoristen als ein geistiges Hindernis auf dem langfristigen Weg der Durchsetzung totalitärer nationalsozialistischer Herrschaft sei keine Verfolgung sämtlicher Mitglieder gefolgt. Mitgliederverfolgung habe exponierte Theologen und Führungspersönlichkeiten im Zusammenhang mit konkreten Vorwürfen betroffen. Selbst unter diesen hätten einige die Zeit bis 1945 nahezu unbehelligt überstanden. Der Besitz einer Mitgliedskarte, der sogenannten Roten Karte, habe jedenfalls keine Verfolgungsmaßnahmen nach sich gezogen.

Nach dem vom Gericht eingeholten Gutachten zur Verfolgungssituation der Bekennenden Kirche einschließlich ihrer Mitglieder sah das NS-Regime die einzelnen Mitglieder der Bekennenden Kirche nur dann als Hindernis an, wenn sie mit konkreten, als widerständig wahrgenommenen Handlungen auftraten, infolge derer sie dann individuell Verfolgungsmaßnahmen unterlagen. Eine konkrete Absicht des Ausschluss aller Mitglieder der Bekenntniskirche aus dem kulturellen und wirtschaftlichen Leben des Reichs habe nicht vorgelegen. Selbst eine konsequente auf die Bekenntniskirche als Institution bezogene Verfolgung bzw. eine Absicht hierzu habe nicht vorgelegen. Das Gutachten komme zu dem Ergebnis, es sei im Dritten Reich hinsichtlich der Bekenntniskirche als organisierter Gemeinschaft aus innen- wie außenpolitischen Rücksichten und mit Blick auf die Erhaltung der vom Regime proklamierten Volksgemeinschaft zu keinem Zeitpunkt zur Absicht und Umsetzung einer konsequenten Verfolgung der Gemeinschaft (Verbot, vollständiger Entzug der finanziellen Mittel o. ä.) gekommen; erst recht gelte dies für sämtliche einfachen Mitglieder der Bekennenden Kirche.

Der Gutachter führe aus, dass die Bekennende Kirche selber sich nicht als politische Widerstandsbewegung verstanden habe und einen betont theologischen, am Bekenntnis und am Wort der Bibel orientierten Zugang zum Glauben propagiert habe. Aus Sicht des NS-Regimes hätten vor allem die zwischen Deutschen Christen und Bekennender Kirche gespaltenen Landeskirchen (mit zumeist deutschchristlichen Kirchenleitungen und oppositioneller Bekenntniskirche), ein fortwährendes politisches Ärgernis dargestellt. Das NS-Regime habe in dem permanenten Streit eine ernsthafte Gefährdung der proklamierten Volksgemeinschaft gesehen. Es habe in der gesamten Zeit seines Bestehens hinsichtlich des „Ärgernisses“ der Bekennenden Kirche keine eindeutige und lineare Kirchenpolitik gefunden, kirchenpolitische Fragen seien vielmehr in tagespolitischer Taktik sowie mehrstimmig und uneindeutig behandelt worden. Bis zum Schluss habe keine Klarheit darüber bestanden, wie die religiöse Frage zu lösen sei. Radikale antichristliche und antikirchliche Ansätze hätten sich wohl auch vor dem Hintergrund, dass mindestens zwei Drittel aller Parteimitglieder zugleich Mitglieder einer der beiden großen christlichen Konfessionen waren, nicht durchgesetzt.

Zwar sei seit 1937, nach der Olympiade, der kirchenpolitische Kurs wieder spürbar verschärft worden, hinsichtlich der Bekennenden Kirche etwa durch das Verbot und die schärfere Ahndung von Kollektensammlungen der Bekenntniskirche, durch Einsetzung der Finanzabteilungen, durch ein Verbot der bekenntniskirchlichen Hochschulen, durch die Verhaftung Niemöllers in Berlin-Dahlem am 1. Juli 1937 und durch eine scharfes Vorgehen gegen die Initiatoren einer Gebetsliturgie anlässlich der sogenannten Sudetenkrise im September 1937. Jedoch sei die Bekennende Kirche auch dann eine zwar nicht erwünschte, aber nicht verbotene, also legale und letztlich geduldete kirchliche Gruppierung geblieben. Grundsätzlich habe zwar der Einfluss beider Konfessionen im Reich zurückgedrängt werden sollen; dies sei jedoch eine sehr langfristige religionspolitische Strategie gewesen, die nicht zeitnah umzusetzen war und die jedenfalls nach Kriegsausbruch auf eine spätere Zukunft, nämlich auf die Zeit nach einer siegreichen Beendigung des Krieges geschoben wurde.

Im Ergebnis habe Es im ‚Dritten Reich‘ keine allgemeine kollektive Verfolgung wegen bloßer Zugehörigkeit zur Bekennenden Kirche gegeben, wann immer Mitglieder der Bekennenden Kirche belangt worden seien, dann sei dies ausnahmslos deshalb geschehen, weil ihnen konkrete Taten wie z. B. politische Predigtworte, verbotene Versammlungen, regimekritische Publikationen oder unerwünschte Auslandsverbindungen zur Last gelegt worden seien. In der großen Mehrzahl habe es sich bei den Betroffenen um exponierte Bekenntnistheologen gehandelt, zumeist Pfarrer. Der Gutachter führt darüber hinaus aus, dass auch die Organisationsformen und Einrichtungen der Bekennenden Kirche nicht einer allgemeinen Verfolgung unterlegen hätten. Gottesdienste und Bibelstunden der Bekennenden Kirche hätten ebenso bis in die Kriegszeit fortgeführt werden können wie Bekenntnissynoden, wenn auch letztere unter restriktiven Bedingungen. Die größte überregionale Zeitschrift der gesamtdeutschen Bekennenden Kirche, die in Göttingen erscheinende Junge Kirche, sei immerhin bis zu ihrem Verbot im Jahr 1941 erschienen. Zu dieser Zeit hätte allerdings auch zahlreiche andere kirchliche Periodika ihr Erscheinen kriegsbedingt einstellen müssen. Die engen Verflechtungen von Bekennender Kirche mit der Deutsche Evangelischen Kirche, deren Teil sie war, hätten einer generellen Verfolgung entgegengestanden. Dies ändere nichts daran, dass die Bekennende Kirche durch innerkirchliche wie staatliche repressive Maßnahmen reguliert und sukzessive eingeschnürt worden sei. Diese Maßnahmen hätten sich aber auf das Spitzenpersonal der Bekennenden Kirche konzentriert, vor allem auf exponierte Bekenntnispfarrer wie Martin Niemöller und Martin Albertz sowie einige Universitätstheologen wie Karl Barth, die sich mit kritischen Predigten, Denkschriften und anderen Erklärungen nach außen wandten. Aber selbst insoweit sei das Vorgehen nicht konsequent gewesen, wie sich am Beispiel der Unterzeichner der Denkschrift an Hitler von Mai/Juni 1936 sehen lasse, die nicht belangt worden seien. Es ergebe sich also das Bild, dass nicht einmal alle Leitungsmitglieder der Bekennenden Kirche, geschweige denn sämtliche einfachen Mitglieder wegen ihrer Zugehörigkeit verfolgt worden seien. Allein der Umstand, Inhaber der sogenannten Roten Karte zu sein, habe keine Verfolgungskonsequenzen mit sich gebracht. Auch im Staatsdienst stehende Mitglieder, Beamte, Mediziner und Juristen hätten allein aufgrund ihrer Mitgliedschaft keine Konsequenzen zu erleiden gehabt und hätten im Amt bleiben können. Eine – wohl eher vereinzelt vorkommende – gleichzeitige Mitgliedschaft von Laien in der NSDAP und in der Bekennenden Kirche habe im Konfliktfall, also bei einem besonderen Hervortreten als Mitglied der Bekennenden Kirche, eher nicht zu einer Schonung, sondern mitunter zu einem Parteiausschlussverfahren geführt.

Das Verwaltungsgeircht kommt auf der Grundlage der gutachterlichen Ausführungen in einer Gesamtschau zwar zu dem Befund, dass die Bekennende Kirche von Teilen der NSDAP durchaus als Hindernis für die Durchsetzung langfristig angelegter weltanschaulicher Ziele, nicht aber allgemein für die Durchsetzung des aktuell wirkenden nationalsozialistischen Totalitätsanspruchs wahrgenommen wurde. Jedenfalls wurde wegen innen- wie außenpolitischer Rücksichten und auch aufgrund einer uneinheitlichen Kirchenpolitik zu keinem Zeitpunkt die Absicht einer konsequenten repressiven Verfolgung der Bekennenden Kirche in ihrer Gesamtheit und im Speziellen aller ihrer einzelnen Mitglieder gefasst. Die Umsetzung einzelner repressiver Maßnahmen, die die Finanzierung und die Pfarrerausbildung sowie die Verfolgung einzelner hervorgetretener Pfarrer und Hochschullehrer betrafen, begründen nicht einmal ohne Weiteres die Annahme einer konsequenten Verfolgung der Bekennenden Kirche als organisierter Gemeinschaft. Hinsichtlich eines Willens, die einfachen Mitglieder vom kulturellen und wirtschaftlichen Leben Deutschlands auszuschließen, kommt diesem staatlichen Vorgehen keine Aussagekraft zu. Das Regime habe zwar in der Bekennenden Kirche frühzeitig einen Feind erkannt und dass die Praxis der Vorladungen und Verhöre bei der Gestapo habe sich nicht nur gegen Pfarrer sondern auch gegen eine Vielzahl von aktiven Mitgliedern von Gemeinden gerichtet und die Haft und Verfolgung u. a. nach dem Heimtückegesetz habe der Abschreckung der Gemeindemitglieder gedient. Eine Kollektivverfolgung der Bekennenden Kirche in ihrer Gesamtheit, einschließlich aller ihrer Mitglieder, oder des Personenkreises der Mitglieder der Bekennenden Kirche in ihrer Gesamtheit im Sinne einer kulturellen und wirtschaftlichen Ausschließungsabsicht scheide aber aus.

Fundstellen: Verwaltungsgericht Potsdam, Urteil vom 23.10.2019, Az. 2 K 132/15; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.12.2014, Az. 8 B 55/14

Das Berliner Institut für Sozialforschung hat die heutige Lebenslage der Opfer von DDR-Unrecht und deren Familienangehöriger in Brandenburg wissenschaftlich erforscht. Die Sozialstudie kommt zu dem Ergebnis, dass die extremen Belastungen und die Ausnahmeerfahrungen den weiteren Lebensverlauf der meisten Betroffenen negativ beeinflusst haben. Das verfügbare Einkommen der Betroffenen stelle sich oft als sehr prekär dar und liege deutlich unter dem Durchschnitt der Bevölkerung im Land Brandenburg. 49 % der Betroffenen verfügen über ein persönliches monatliches Nettoeinkommen von unter 1.000 €.

Die Betroffenen klagen noch heute in 70 % der Fälle über psychische Folgen und in 38 % der Fälle über körperlichen Folgen des erlittenen Unrechts. Häufig treten bei ihnen beispielsweise Schlafstörungen, Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen auf.

Die negativen materiellen  Folgen  und die Auswirkungen des Unrechts auf die berufliche Laufbahn wirken bis heute stark nach. Betroffene die für das erlittene Unrecht juristisch rehabilitiert wurden,  schätzen nach den Ergebnissen der Studie  ihren  Gesundheitszustand  als  besser  ein  und sind zufriedener mit der Demokratie in Deutschland. Betroffene von DDR-Unrecht stehen dabei der  demokratischen  Gesellschaft heute ohnehin insgesamt positiver gegenüber als der brandenburgische Bevölkerungsdurchschnitt.

Fundstellen: Die Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen DiktaturBerliner Institut für Sozialforschung GmbH, „Studie zu aktuellen Lebenslagen von Menschen aus dem Land Brandenburg, die in der SBZ / DDR politisch verfolgt wurden oder Unrecht erlitten und deren mitbetroffenen Familien“

Das Kammergericht hatte über einen vom Amtsgericht erlassenen Haftbefehl in einem Strafbefehlsverfahren zu entscheiden. Das Amtsgericht hatte zunächst einen Strafbefehl mit einer Geldstrafe erlassen, gegen den die Beschuldigte Einspruch eingelegt hatte. Ein Strafbefehl ähnelt einer Anklageschrift, enthält aber eine konkrete Strafe und wird von einem Gericht erlassen. Legt der Beschuldigte gegen einen Strafbefehl keinen Einspruch ein, dann steht der Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil gleich. Auf diese Weise kann daher ein Strafurteil ohne mündliche Verhandlung ergehen, die Strafhöhe kann dabei bis zu einem Jahr Bewährungsstrafe betragen.

Nach den Vorschriften der Strafprozessordnung kann sich der Beschuldigte -nach eingelegtem Einspruch gegen einen Strafbefehl- in der mündlichen Verhandlung grundsätzlich durch einen Verteidiger vertreten lassen. In dem vom Kammergericht zu entscheidenden Fall hatte das Amtsgericht allerdings das persönliche Erscheinen der beschuldigten Person angeordnet. Diese war zum Hauptverhandlungstermin nicht erschienen, weshalb das Amtsgericht einen Haftbefehl erlassen hat.

Die von mir hiergegen eingelegte Beschwerde wurde vom Landgericht Berlin verworfen, die weitere Beschwerde zum Kammergericht hatte dagegen Erfolg. Das Kammergericht hob den Haftbefehl durch Beschluss vom 11.12.2019 mit der zutreffenden Begründung auf, dass der Erlass des Haftbefehles nicht verhältnismäßig war. Hier hätte das Amtsgericht u. a. die Möglichkeit prüfen müssen, ob es auch ohne Anwesenheit der betroffenen Person hätte verhandeln können. Selbst wenn das persönliche Erscheinen angeordnet wird, kommt der Erlass eines Haftbefehls nur in Betracht, wenn das Gericht nach sorgfältiger Prüfung diese Möglichkeit ausgeschlossen hat. Zwar kann das Amtsgericht auch wegen des Nichterscheinens bei persönlicher Ladung des Beschuldigten einen Haftbefehl erlassen, das muss aber in der Ladung jeweils ausdrücklich angedroht werden, was hier nicht der Fall war.

Das Kammgericht weist ergänzend darauf hin, dass dem Strafbefehlsverfahren die Verhaftung des Angeklagten strukturell fremd ist. Der Erlass eines Haftbefehls darf zudem nicht dem Selbstzweck dienen, den Ungehorsam des Angeklagten zu ahnden. Es müsste also vor Erlass eines Haftbefehls vom Gericht sorgfältig geprüft und dargelegt werden, dass die Aufklärungspflicht oder andere zwingende Gründe die Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung unbedingt erforderlich machen.

Fundstelle: Kammergericht, Beschluss vom 11.12.2019, Az. 2 Ws 200/19 – 121 AR 293/19

Die Bußgeldnorm der Berliner Corona-Eindämmungsverordnung für Verstöße gegen das Mindestabstandsgebot und das Gebot, physisch soziale Kontakte auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren, wurde vom Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin mit Beschluss vom 20.05.2020, Az. VerfGH 81 A/20, einstweilen außer Kraft gesetzt.

Im Rahmen einer Folgenabwägung führt der Verfassungsgerichtshof in dem Beschluss aus, dass sich die Bußgeldvorschrift (§ 24 SARS-CoV-2-EindmaßnV) auf (zu) unbestimmte Rechtsbegriffe in der Eindämmungsverordnung bezieht (nämlich auf § 1 Satz 1 und 2 SARS-CoV-2-EindmaßnV). Der Bürger könne nicht in ausreichender Weise erkennen, welche Handlungen oder Unterlassungen bußgeldbewehrt sind.

Diese mangelnde Erkenntnismöglichkeit kann gerade rechtstreue Bürgerinnen und Bürger veranlassen, sich in ihren Grundrechten noch weiter zu beschränken, als es erforderlich wäre, um keine Ordnungswidrigkeit zu begehen.

Eine Bußgeldandrohung von bis zu 25.000 Euro entfaltet zusätzliche abschreckende Wirkung. Der vom Berliner Senat erlassene Bußgeldkatalog wurde zudem nicht angepasst, der Großteil der Tatbestände des Bußgeldkatalogs lässt sich nicht mehr in Einklang mit den mittlerweile gelockerten Corona-Verordnungen bringen.

Damit hat der Verfassungsgerichtshof zwar noch nicht darüber entschieden, ob die Bußgeldvorschrift auch verfassungswidrig ist. Es dürfte aber zu erwarten sein, dass auch im Hauptsachverfahren die Bußgeldvorschrift in der jetzigen Form (Stand 27.05.2020) keinen Bestand haben wird.

Fundstelle: Verfassungsgerichtshof von Berlin, Beschluss vom 20.05.2020, Az. VerfGH 81 A/20; Pressemitteilung vom 26.05.2020

Die Frage ab welchem Alter die Krankenkasse Hilfsmittel -wie einen Therapiestuhl- als Zweitversorgung für eine Kita für ein behindertes Kind genehmigen muss, war für Kinder jüngere betroffene Kinder bislang umstritten. Das Sozialgericht Berlin hat in dem von mir geführten Klageverfahren mit Beschluss vom 28.05.2019, Az. S 208 KR 1866/18, entschieden, dass auch für behinderte Kinder unter drei Jahren ein Anspruch auf Versorgung mit einem Therapiestuhl besteht.

Die Krankenkasse hatte die Versorgung mit dem Therapiestuhl aus dem Grund abgelehnt, dass eine Zweitversorgung für den Kindergarten nur dann genehmigt werden könne, wenn der Besuch der Einrichtung dem Hinführen zur Schulfähigkeit diene. Das sei bei Kindern unter drei Jahren grundsätzlich nicht der Fall, wie sich aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 03.11.2011, Az. B 3 KR 8/11 R, ergeben soll. Die Schulfähigkeit sei nur insoweit als allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens anzusehen, als es um die Vermittlung von grundlegendem schulischen Wissen und Können an Schüler im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht oder der Förder- bzw. Sonderschulpflicht gehe.

Dem ist das Sozialgericht Berlin nicht gefolgt, der Anspruch auf Kostenübernahme für den Therapiestuhl für die Kita ergibt sich nach dem Urteil vom 28.05.2019 aus den Grundsätzen des mittelbaren Behinderungsausgleichs. Die Versorgung mit dem Therapiestuhl für die Kindertagesstätte betrifft ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens, weil der begehrte Therapiesitz dem damals zwei Jahre alten Kind die Teilnahme an Beschäftigungsangeboten gemeinsam mit anderen Kindern in der Kita ermöglicht. Das Sozialgericht führt in dem Urteil aus:

„Da die Klägerin – anders als gleichaltrige Kinder – nicht selbständig sitzen kann, ist sie ohne ein Hilfsmittel, das das aufrechte Sitzen ermöglicht, nicht in der Lage, die anderen Kinder in ihren Aktionen beim Essen und Spielen in der Weise wahrzunehmen, wie es das Sitzen auf Augenhöhe ermöglicht. Ein in der Kindertagesstätte genutzter Therapiestuhl ermöglicht damit der Klägerin die Teilnahme an einem altersüblichen sozialen Lernprozess.“

Die gesetzlichen Krankenversicherungen haben die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass behinderte Menschen das staatlicherseits als Minimum angesehene Maß an Bildung erwerben können. Die Versorgung mit dem Therapiestuhl ist auch erforderlich, da das Zimmeruntergestell, das dem betroffenen Kind im vorangegangen einstweiligen Rechtsschutzverfahren zugestanden wurde (vgl. Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 07.12.2018, Az. S 208 KR 1865/18 ER), wesentliche Nachteile hinsichtlich des mittelbaren Behinderungsausgleichs gegenüber einem Therapiestuhl aufweist. Die Eingliederung, eine Teilhabe an der üblichen Lebensgestaltung Gleichaltriger und damit an einem altersüblichen sozialen Lernprozess, werde hiermit nicht ausreichend gewährleistet.

Fundstellen: Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 28.05.2019, Az. S 208 KR 1866/18; Beschluss vom 07.12.2018, Az. S 208 KR 1865/18 ER, Bundessozialgericht, Urteil vom 03.11.2011, Az. B 3 KR 8/11 R

Das Amtsgericht Bernau hält die Strafverfolgung von Cannabisdelikten für verfassungswidrig und hat diese Frage daher mit Beschluss vom 18.09.2019 dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Nach Auffassung des Amtsgerichts Bernau sind alle  Regelungen  des  Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) verfassungswidrig,  soweit  sie Cannabisprodukte  in  der  Anlage I  zu  §  1  Abs.  1  BtMG  mit  der  Folge  aufführen,  dass  der unerlaubte  Verkehr  mit  diesen  Stoffen  den  Strafvorschriften  des  Betäubungsmittelgesetzes unterliegt.

Auch die Strafverfolgung des Erwerbs von Cannabis hält das Amtsgericht Bernau für verfassungswidrig. Der Beschluss des Amtsgerichts Bernau wurde umfangreich begründet und nunmehr veröffentlicht. Die Bestrafung von Cannabisdelikten verstößt nach dem Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Bernau u. a. gegen das Freiheitsrecht  der  Bürger, den Gleichheitsgrundsatz, das Gesetzlichkeitsprinzip, die allgemeine Handlungsfreiheit und das Recht auf Rausch.

Das Amtsgericht Bernau hält eine verfassungskonforme Auslegung der Normen des Betäubungsmittelgesetzes etwa durch die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit, von einer Bestrafung abzusehen, für nicht möglich. Dies ergäbe sich vor allem aus der Strafrechtspraxis, die hiervon wenig Gebrauch mache. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus (Stand 22.04.2020).

Fundstellen:  Amtsgericht Bernau, Beschluss vom 18.09.2019, Az. 2 Cs 226 Js 7322/19 (346/19); Pressemitteilung vom 20.04.2020

 

Nachtrag (03.11.2023): Bundesverfassungsgericht weist Normenkontrollverfahren zur Verfassungswidrigkeit der Strafverfolgung von Cannabisdelikten zurück

Zwischenzeitlich hatten auch das Amtsgericht Münster und das Amtsgericht Pasewalk Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse erlassen, weil sie die Strafnormen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) für verfassungswidrig erachteten, soweit diese den Umgang mit Cannabisprodukten betreffen. Die Amtsgerichte führten an, dass sich das strafbewehrte Cannabisverbot nicht mit dem Grundgesetz in Einklang bringen lasse. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Vorlagen allerdings mit dem Beschluss vom 14.06.2023, Az. 2 BvL 3/20, als unzulässig zurückgewiesen. Das Bundesverfassungsgericht konnte keine Verfassungswidrigkeit erkennen.

Fundstellen: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14.06.2023, Az. 2 BvL 3/20 (ebenso Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 05.07.2023, Az. 2 BvL 9/23)

Die neue Gesetzeslage im Rehabilitierungsrecht für DDR-Unrecht (vgl. Blogartikel „Neue Rehabilitierungsgesetze für DDR-Unrecht in Kraft“ vom 28.11.2019) führt mittlerweile auch zu einer veränderten Rechtsprechung. Das Oberlandesgericht Rostock hatte mit Beschluss vom 12.2.2020, Az. 22 Ws_Reha 2/20, über einen solchen Fall zu entschieden.
Das betroffene ehemalige Heimkind war in der DDR in das Durchgangsheim Schwerin und in den Jugendwerkhof „Hübner-Wesolek“ in Bernburg eingewiesen worden und hatte diesbezüglich seine Rehabilitierung nach dem strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz beantragt. Das Landgericht Schwerin lehnte den Antrag ab und verweigerte selbst die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Das Oberlandesgericht hatte über die Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Schwerin zu entscheiden und kam zu dem Ergebnis, dass die ablehnende Entscheidung des Landgerichts nach dem damals geltenden (alten) Recht rechtmäßig gewesen sei, nunmehr aber nach der Gesetzesänderung eine Rehabilitierung zu erfolgen habe. Das Oberlandesgericht hob daher die Entscheidung des Landgerichts Schwerin auf und rehabilitierte die Antragstellerin vollständig.
Nach der neuen Rechtslage gilt eine Regel nach der vermutet wird, dass Einweisungen in ein Spezialheim oder in eine vergleichbare Einrichtung der politischen Verfolgung oder sachfremden Zwecken dienten. Dem ehemaligen Heimkind eines Spezialheims wird damit die Beweisführung erleichtert. Im vorliegenden Fall hatte die Jugendhilfekommission, die Einweisung u. a. mit angeblichen Erziehungsschwierigkeiten der betroffenen Person begründet. Das reicht aber nicht aus, um die neue Regelvermutung zu entkräften, zumal gegen die betroffene Person wegen der Nichtanzeige einer geplanten Republikflucht ermittelt worden war. Das Strafverfahren gegen die betroffene Person war von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden, weil die Jugendhilfe Maßnahmen gegen die Betroffene eingeleitet hatte. Eine politische Motivation der Heimeinweisung lag mithin nahe.
Das Oberlandesgericht hat in dem Beschluss zudem klargestellt, dass unter die neu eingeführte Vermutungsregel auch Durchgangsheime und Jugendwerkhöfe fallen. Prozesskostenhilfe wurde nachträglich für beide Instanzen bewilligt.

Fundstelle: Oberlandesgericht Rostock, Beschluss vom 12.02.2020, Az. 22 Ws_Reha 2/20

Die vom Bundestag am 24.10.2019 beschlossenen Gesetzesänderungen der Rehabilitierungsgesetze (vgl. Blogartikel vom 27.10.2019: Änderungen in den Rehabilitierungsgesetzen beschlossen), wurden mittlerweile vom Bundespräsidenten ausgefertigt und am 28.11.2019 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die Gesetzesänderungen traten daher am 29.11.2019 in Kraft.

Fundstelle: Bundesgesetzesblatt, Jahrgang 2019 Teil I Nr. 42 (BGBl. 2019 I 1752)

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 05.11.2019, Az. 1 BvL 7/16, entschieden, dass die derzeitige Sanktionsregelung für Hartz-IV-Bezieher teilweise verfassungswidrig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass der Staat verpflichtet ist, das menschenwürdige Existenzminimum jedes Menschen sicherzustellen und dass die eigenständige Existenzsicherung des Menschen ist nicht Bedingung dafür sein kann, dass ihm Menschenwürde zukommt.

Das Bundesverfassungsgericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Sanktionsregelungen teilweise zu starr sind, weil sie außergewöhnliche Härten nicht ausreichend berücksichtigen und einen Sanktionszeitraum von drei Monaten vorgeben, ohne dass hiervon abgewichen werden kann. Hier hat der Gesetzgeber die Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums überschritten.

Die Sanktionierung einer wiederholten Mitwirkungsverpflichtung in Höhe von 60 % des Regelbedarfs ist zudem verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Die Minderung des Hartz-IV-Satzes in der Höhe von 60 % ist unzumutbar, weil das grundrechtlich gewährleistete Existenzminimum nicht mehr gewährleistet wird und starr für drei Monate angeordnet wird.

Konsequenterweise hat das Bundesverfassungsgericht zudem entschieden, dass der vollständige Wegfall des Arbeitslosengeldes II (Hartz IV) wegen einer Pflichtverletzung verfassungswidrig ist. Nach dieser Entscheidung dürfen derzeit also keine Sanktionen über 30 % des Regelsatzes verhängt werden. Von einer Sanktionierung kann abgesehen werden, wenn dies zu einer außergewöhnlichen Härte führen würde. Die Behörde kann zudem die Leistungen wieder erbringen, sobald die Mitwirkungspflicht erfüllt wird oder der Leistungsberechtigte sich ernsthaft und nachhaltig bereit erklärt, den Pflichten nachzukommen.

Fundstelle: Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung Nr. 74/2019, Urteil vom 05.11.2019, Az. 1 BvL 7/16

Der Bundestag hat am 24.10.2019 in dritter Lesung umfangreiche Änderungen an den Rehabilitierungsgesetzen für DDR-Unrecht verabschiedet.

Danach wird eine Vermutung aufgestellt, dass die Unterbringungsanordnung in einem Kinderheim rechtsstaatswidrig war, wenn eine Einweisung in ein Spezialheim oder in eine vergleichbare der Zwangsumerziehung dienende Einrichtung stattfand. Dieselbe Vermutung gilt, wenn gleichzeitig mit der Unterbringung der Kinder rechtsstaatswidrige, freiheitsentziehende  Maßnahmen  gegen  die  Eltern oder Elternteile vollstreckt wurden. Es muss ein Sach- und Zeitzusammenhang bestehen.

Die Opferrente wird von 300,00 € monatlich auf 330,00 € erhöht. Die dafür notwendige Haftdauer wird von 180 Tagen auf 90 Tage halbiert! Verfolgte nach dem beruflichen Rehabilitierungsgesetz erhalten statt 214,00 € monatlich nunmehr 240,00 € (bzw. für Rentner 180,00 € statt wie bisher 153,00 €).

Heimkinder, die wegen der rechtsstaatswidrigen Haft der Eltern ins Heim gekommen sind und nicht rehabilitiert wurden, weil sie nicht selbst verfolgt wurden, bekommen trotz einer negativen Rehabilitierungsentscheidung einen eigenen Anspruch auf die Opferrente (wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen). Sie können nunmehr also direkt die Opferrente beantragen.

Die Antragsfristen werden gestrichen.

Für festgestellte Zersetzungsmaßnahmen, für die bisher keine Ausgleichsleistungen gezahlt wurden, wird eine einmalige Zahlung in Höhe von 1.500,00 € eingeführt.

Fundstelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 24.10.2019

Die Bundesregierung hat -wie bereits berichtet- einen Gesetzesentwurf  zur Änderung der Rehabilitierungsgesetze für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR beschlossen. Danach sollen die Fristen zur Antragsstellung gestrichen und die Beweisführung erleichtert werden (vgl. Blogartikel vom 17.05.2019: „Bundesregierung will Fristen für Rehabilitierungsanträge für DDR-Unrecht streichen“). Aber was hat die Bundesregierung genau geplant? Die Antragsfristen sollen gestrichen werden, derzeit gilt eine Frist zur Antragstellung bis zum 31.12.2019. Das betrifft sowohl Anträge zur strafrechtlichen als auch zur beruflichen und verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung.

Weiterhin soll für den Fall, dass das Gericht nicht feststellen kann, dass die Anordnung eine Heimunterbringung der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken diente, das Gericht diese Tatsache zugunsten des jeweiligen Antragstellers für festgestellt erachten können. In § 10 StrRehaG soll der folgende dritte Absatz eingefügt werden:

„Kann die Tatsache, dass eine Anordnung der Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken diente, nicht festgestellt werden,


1. infolge der Lage, in die der Antragsteller durch die Unterbringung geraten ist,
oder
2. infolge des Umstandes, dass

a) Urkunden verloren gegangen sind,
b) Zeugen verstorben oder unauffindbar sind oder
c) die Vernehmung von Zeugen mit Schwierigkeiten verbunden ist, die in keinem Verhältnis zur Bedeutung der Aussage stehen,

so kann das Gericht diese Tatsache unter Würdigung aller Umstände zugunsten des Antragstellers für festgestellt erachten.“

Es stellt in den Rehabilitierungsverfahren ein häufiges Problem dar, dass Unterlagen wie z. B. die ursprüngliche Jugendhilfeakte mittlerweile vernichtet wurden oder nicht mehr auffindbar sind. Teilweise werden von den Behörden sogar jetzt noch Unterlagen vernichtet („kassiert“), weil die Aufbewahrungsfristen abgelaufen seien und nicht in die entsprechende Archive überführt. Diese Änderung könnte daher vielen Betroffenen erheblich weiter helfen, wenn sie denn tatsächlich Gesetzeskraft erlangt.

Für Kinder von politisch Verfolgten Eltern, die ins Heim eingewiesen wurden, bleibt die Ausgangslage für eine Rehabilitierung schwierig (vgl. auch Blogartikel vom 17.06.2018: „War eine DDR-Heimeinweisung eines Kindes rechtsstaatswidrig bei politischer Verfolgung der Eltern?“). Für ehemalige Heimkinder von politisch verfolgten Eltern soll eine neue Regelung in § 18 StrRehaG eingeführt werden, damit die ehemaligen Heimkinder trotz negativer Rehabilitierungsentscheidung Unterstützungsleistungen von der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge erhalten können. Eine selbstständige Rehabilitierung ist für die Betroffenen in dem Entwurf der Bundesregierung (anders als noch im Entwurf des Bundesrats vom 03.11.2017, BR-Drs. 642/17) nicht vorgesehen. Eine Gleichstellung von Kindern, die wegen der politischen Verfolgung der Eltern eine Heimunterbringung in der DDR erleiden mussten, mit anderen rehabilitierten Heimkindern ist also bedauerlicher Weise nicht vorgesehen. Die ehemaligen Heimkinder von politisch verfolgten Eltern hätten danach keinen Anspruch auf eine eigene Rehabilitierung. Sie könnten aber immerhin Unterstützungsleistungen bei der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge beantragen. Die rechtliche Position von ins Heim eingewiesenen Kindern politisch verfolgter Eltern bliebe also schwierig.

Weitere bekannte Schwachstellen der Rehabilitierungsgesetze werden dagegen von der Bundesregierung überhaupt nicht in den Gesetzesentwurf aufgenommen. Der Bundesrat hat in einer Entschließung vom 19.10.2018 beispielsweise darauf hingewiesen, dass u. a. keine Ausgleichsleistungen für Opfer von Zersetzungsmaßnahmen vorgesehen sind, dass für verfolgte Schüler kaum Leistungen beanspruchen können, Opfer von Zwangsaussiedlungsmaßnahmen nicht ausreichend entschädigt werden,  die Verfolgungszeit für eine berufliche Benachteiligung mit mindestens drei Jahren viel zu lang angesetzt ist. Es bleibt nur zu hoffen, dass im Gesetzgebungsverfahren noch entsprechende Verbesserungen eingefügt werden können.

Fundstellen: Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, Informationsseite zum Gesetzgebungsvorhaben vom 15.05.2019; Bundesrat, Gesetzesentwurf vom 03.11.2017, BR-Drs. 642/17; Entschließung vom 19.10.2019, BR-Drs. 316/18

Nach der Pressemitteilung der Bundesregierung vom 15.05.2019 sollen die Fristen für Rehabilitierungsanträge für DDR-Unrecht gestrichen werden. Bislang gilt als letzter möglicher Termin für die Antragstellung der 31.12.2019.

Die Beweisführung bezüglich der Rehabilitierung von DDR-Heimkindern soll erleichtert werden. Es soll insbesondere für ehemalige Heimkinder, die wegen der politischen Verfolgung ihrer Eltern in ein Heim, Spezialheim oder Jugendwerkhof eingewiesen wurden, eine einfachere Regelung zur Rehabilitierung geschaffen werden.

Bereits im Koalitionsvertrag war vereinbart worden, dass die Antragsfristen „im Einvernehmen mit den Bundesländern“ aufgehoben werden sollen und geprüft werden soll, wie die bestehenden rechtlichen Grundlagen der Entschädigung für die Heimkinder verbessert werden können. Es bleibt daher abzuwarten, wie die neue konkrete rechtliche Regelung ausgestaltet sein wird. Bislang hat die Bundesregierung nur einen Gesetzentwurf beschlossen, noch gilt die alte Rechtslage.

Fundstelle: Bundesregierung, Pressemitteilung „Mehr Unterstützung für DDR-Opfer“ vom 15.05.2019

Immer wieder wird kritisiert, dass die Rechtsprechung in den Bundesländern bezüglich der Rehabilitierung von DDR-Unrecht relativ stark voneinander abweicht. Was in einem Bundesland als rechtsstaatswidrig rehabilitiert wird, wird von Gerichten in anderen Bundesländern gehalten. Gerade was die Rehabilitierung von ehemaligen Heimkindern angeht, bestehen in der Rechtsprechung größere Divergenzen (vgl. „Rechtsstaatswidrigkeit einer Heimeinweisung in ein „Normalkinderheim“ der DDR“ vom 17.09.2018).

Das Kammergericht in Berlin vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass bei Heimunterbringungen in der DDR nur die Einweisungsverfügung als solche, nicht hingegen deren Folgen, also die konkreten Lebensbedingungen in dem jeweiligen Heim, zu prüfen sind. Der gegenläufigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt in Naumburg schließt sich das Kammergericht ausdrücklich nicht an. Seit einigen Jahren hebt das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt Einweisungen von Kindern und Jugendlichen in Spezialheime und Jugendwerkhöfe aufgrund des dort verfolgten Zwecks der Umerziehung in der Regel als unverhältnismäßig auf.

Seine restriktive Rechtsprechung muss das Kammergericht nun aber überprüfen. Denn der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin hat mit Beschluss vom 16.01.2019, Az. 145/17, eine Entscheidung des Kammergerichts zu DDR-Heimeinweisungen aufgehoben. Das Verfassungsgericht sah das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 15 Abs. 4 Satz 1 der Berliner Verfassung dadurch verletzt, dass  das Kammergericht nicht ausreichend aufgeklärt hat, ob und in welchem Umfang es in den Spezialkinderheimen der DDR systematisch zu menschenrechtsverletzenden Übergriffen gekommen ist und was Ursache dafür war. Das Gericht ist seiner Pflicht zur Amtsermittlung nicht nachgekommen, weil es sich mit dem aktuellen Forschungsstand zu den Lebensumständen in den Spezialheimen der DDR nicht nachvollziehbar auseinandersetzt hat. Der Verfassungsgerichtshof führt wörtlich in dem Beschluss vom 16.01.2019 aus:

„Gegebenenfalls hätte es nahegelegen, mithilfe eines Sachverständigen weiter zu ermitteln, ob und in welchem Umfang es in den Spezialheimen […] systematisch zu menschenrechtsverletzenden Übergriffen gekommen ist und was Ursache dafür war.“

Eine Änderung der Berliner Rechtsprechung zu den Einweisungen in Spezialheime und Jugendwerkhöfe erscheint daher möglich, die nächste Entscheidung des Kammergerichts wird es zeigen.

Fundstelle: Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 16.01.2019, Az. 145/17

Wie bereits mehrfach berichtet, begegnet die Rehabilitierung von Heimkindern in der DDR oft rechtlichen Schwierigkeiten (vgl. „War eine DDR-Heimeinweisung eines Kindes rechtsstaatswidrig bei politischer Verfolgung der Eltern?“ vom 17.06.2018, „Eine der politischen Repression dienende Heimeinweisung ist rechtsstaatswidrig“ vom 12.11.2017). In der DDR gab es im Wesentlichen drei Typen von Heimen sogenannte Normalkinderheime, Spezialheime und Jugendwerkhöfe. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts des Landes Sachsen-Anhalt in Naumburg war die Einweisung in ein Spezialheim oder in einen Jugendwerkhof im Regelfall rechtsstaatswidrig, wenn der Eingewiesene nicht zuvor durch massive Straffälligkeit aufgefallen ist oder sich gemeingefährlich verhalten hat. Die Einweisung ist dann als unverhältnismäßig zu beurteilen, sie war nicht mehr am Kindswohl orientiert, sondern diente der Umerziehung (vgl. Beschluss des Oberlandesgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 26. Oktober 2017, Az. 2 Ws (Reh) 36/17). Das Oberlandesgericht führt in dem Beschluss vom 26.10.2017 aus, dass es aufgrund neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse überzeugt sei, dass die Erziehung in Spezialheimen der Jugendhilfe maßgeblich darauf ausgerichtet war, die Persönlichkeit der Betroffenen zu brechen, um aus ihnen Persönlichkeiten nach den ideologischen Vorstellungen des SED-Regimes zu formen. Zu diesem Zwecke wurden schwere Menschenrechtsverletzungen planmäßig eingesetzt, weshalb regelmäßig eine Rechtsstaatswidrigkeit bei einer Einweisung in ein Spezialheim (oder einen Jugendwerkhof) angenommen wird.
Andere Rehabilitierungsgerichte sehen diese Rechtsprechung kritisch und prüfen auch bei Einweisungen in einen Jugendwerkhof vor allem die in dem Einweisungsbeschluss wiedergegebenen Gründe auf ihre Rechtsstaatswidrigkeit. Die in den Heimen herrschenden Umstände treten dann bei der Prüfung dagegen in den Hintergrund. Das Brandenburgische Oberlandesgericht prüft dagegen -ähnlich wie das Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt- im Rahmen einer Einzelfallprüfung auch, ob die Einweisung gegen das Übermaßverbot wegen der in dem jeweiligen Heim herrschenden Umstände verstieß.
In dem von mir für das ehemalige Heimkind geführten Rehabilitierungsverfahren hatte das Brandenburgische Oberlandesgericht über die Einweisung in ein sogenanntes „Normalkinderheim“ zu entscheiden. Das Oberlandesgericht kam auch in diesem Verfahren zu dem Ergebnis, dass die Einweisung als rechtsstaatwidrig zu beurteilen war, weil ein grobes Missverhältnis zwischen Anlass für die Unterbringungsentscheidung und der angeordneten Rechtsfolge vorlag. Die Einweisung des Jugendhilfeausschusses wurde darauf gestützt, dass bezüglich der häuslichen Ordnung und Sauberkeit in der Familie Defizite bestanden haben sollen und beim Bruder erste Verwahrlosungserscheinungen aufgetreten sein sollen. Die Kinder seien schmutzig und ohne die notwendigen Arbeitsmaterialien in der Schule erschienen. Sie hätten eine ungenügende Arbeitseinstellung gezeigt, keine Hausaufgaben angefertigt und zeitweilig den Unterricht gebummelt. Die Eltern seien keiner geregelten Arbeit nachgegangen, weswegen es zu finanzielle Problemen gekommen sei. Die Betroffene habe sich angeblich durch Lügen und Diebstähle isoliert, ihr Freundeskreis habe sich zudem aus Kindern sozialgefährdeter Familien zusammengesetzt.
Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat richtiger Weise festgestellt, dass das keine tragfähige Begründung für eine gravierende soziale Gefährdung darstelle, die einen plausiblen Anlass für die Herauslösung der Betroffenen aus dem Elternhaus rechtfertigen könnte. Der Beschluss stehe vielmehr im Einklang mit der in der DDR herrschenden Rechtspraxis, ein anderes Leben als das eines fleißigen und staatsbejahenden Schülers als asozial zu stigmatisieren. Die Heimunterbringung sollte auch nach dem DDR-Recht immer das letzte Mittel sein, was hier erkennbar nicht der Fall war. Die Einweisung stellt daher auch in Anbetracht der damit verbundenen Konsequenzen einen Verstoß gegen das Übermaßverbot dar und wurde daher zutreffend als rechtsstaatswidrig aufgehoben.

Fundstellen: Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 21.06.2018, Az. 2 Ws Reha 14/17

Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2015 entschieden, dass die Heimeinweisung eines Kindes nicht schon deshalb rechtsstaatswidrig war, wenn die Eltern aufgrund politischer Verfolgung inhaftiert wurden und nur aus diesem Grund ein Kind in einem Heim untergebracht wird (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.03.2015, Az. 4 StR 525/13). In einem solchen Fall ist die Einweisung nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs lediglich die Folge einer Inhaftierung, diente aber selbst nicht dazu, das Kind politisch zu verfolgen.

Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war ganz erheblicher Kritik ausgesetzt, einige Bundesländer haben bereits eine Gesetzesinitiative gestartet, das strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz entsprechend zu ändern, dass auch Kinder die aufgrund der politischen Inhaftierung der Eltern in ein Heim eingewiesen wurden, selbst zu rehabilitieren sind (vgl. Bundesrat, Drucksache 642/17 vom 03.11.2017). Den Kindern stünden in einem solchen Fall grundsätzlich auch die Haftentschädigung und weitere Leistungen wie die Opferrente zu (vgl. auch den Blogeintrag „Eine der politischen Repression dienende Heimeinweisung ist rechtsstaatswidrig“ vom 12.11.2017).

Allerdings kann auch nach der derzeitigen Rechtslage ein ehemaliges Heimkind wegen der politischen Verfolgung eines Elternteils rehabilitiert werden, wenn es dem ehemaligen Heimkind gelingt den Nachweis zu erbringen, dass die Heimeinweisung als politisches Druckmittel gegen die Eltern eingesetzt wurde. In einem solchen Fall ist auch die Heimeinweisung des Kindes für rechtsstaatswidrig zu erklären, denn diese war nicht von fürsorglichen Motiven sondern (auch) von politischen getragen. Der Bundesgerichtshof hatte in dem oben genannten Beschluss auch ausdrücklich festgestellt, dass es unerheblich sei, ob sich der mit der Heimeinweisung verfolgte Verfolgungszweck gegen die unterzubringende Person selbst oder Dritte richtete. Auch die zur politischen Disziplinierung von Eltern oder Verwandten angeordnete Heimunterbringung stellt sich als politische Verfolgung im Sinne des strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes dar (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.03.2015, Az. 4 StR 525/13).

Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat in einem von mir für den Betroffenen geführten Verfahren daher auch entschieden, dass der Heimaufenthalt meines Mandanten ab dem nachgewiesenen Zeitpunkt der politischen Verfolgung der Mutter für rechtsstaatswidrig zu erklären ist (vgl. Brandenburgisches OberlandesgerichtBeschluss vom 07.11.2017, Az. 2 Ws (Reha) 13/16).

Der Antragsteller war bereits kurz nach der Geburt in ein Heim gekommen. Seine Mutter war wenig später nach Westdeutschland gegangen, nachdem sie wegen gewerbsmäßiger Unzucht, Einfuhr von Zahlungsmitteln und Landstreicherei verurteilt worden war. Der Antragsteller wurde in ein Heim eingewiesen, die Jugendhilfe übernahm die Vormundschaft. Er verbachte seine Kindheit in unterschiedlichen Heimen sowie zeitweilig in einer Bezirksnervenklinik.

Der Versuch der Mutter im Jahr 1960 wieder in die DDR zu gelangen, scheiterte daran, dass die Mutter von der DDR nicht wieder aufgenommen und stattdessen in den Westen ausgewiesen wurde. Das Oberlandesgericht sah es trotz einiger, darauf hindeutender Indizien als nicht ausreichend erwiesen an, dass die Mutter wegen ihrer fehlenden Bereitschaft, mit der Staatssicherheit zu kooperieren, ausgewiesen wurde. Das Oberlandesgericht war nicht überzeugt davon, dass bereits zu diesem Zeitpunkt der in einem Heim befindliche Sohn als Druckmittel eingesetzt wurde.

Allerdings ließ sich in dem Rehabilitierungsverfahren nachweisen, dass der betroffene Sohn bei dem erneuten Einreiseversuch der Mutter im Jahr 1968 sehr wohl als Druckmittel der Stasi gegen die Mutter eingesetzt wurde, diese zu einer Mitarbeit bei der Stasi zu nötigen. Die Mutter ging dieses Mal darauf ein, für die Stasi zu arbeiten. Sie erhoffte sich damit, dass ihr die DDR die Möglichkeit einräume, wieder bei ihrem Sohn zu sein und für diesen in der Zukunft sorgen zu können. Die Mutter willigte damals ein, zunächst in Westberlin für die Stasi als Spion zu arbeiten. Allerdings wurde sie dort von der Westberliner Polizei unter dem Verdacht des Führens landesverräterischer Beziehungen kurzzeitig festgenommen und verhört. In dem Verhör der Westberliner Polizei gestand sie, dass sie für die Stasi tätig war und wurde im Anschluss aus der Untersuchungshaft unter Auflagen entlassen. Sofort flüchtete sie zurück in die DDR und wurde in einem Aufnahmelager untergebracht. Jetzt konnte sie endlich in der Nähe ihres Sohnes sein, den sie in der Bezirksnervenklinik besuchen konnte. Das Glück des Wiedersehens währte allerdings nur kurz, als die Stasi herausfand, dass die Mutter nicht nur festgenommen und verhört worden war, sondern auch gegenüber der (West-)Berliner Polizei gestanden hatte, für die Stasi zu arbeiten. Diese Dekonspiration gegenüber dem Klassenfeind wurde der Mutter des Betroffenen nicht verziehen. Aufgrund dieses von der Stasi als Verrat gewerteten Verhaltens der Mutter wurde diese umgehend aus der DDR wieder in den Westen abgeschoben und der betroffene Sohn musste bis zu seiner Volljährigkeit im Heim bleiben.

Das Oberlandesgericht hat in dem Beschluss vom 07.11.2017 richtiger Weise festgestellt, dass das Fortdauern der Heimunterbringung des Sohnes seit der Rückkehr der Mutter in die DDR im Jahr 1968 der politischen Verfolgung gedient hat. Die Heimunterbringung war daher aufzuheben und mein Mandant für diesen Zeitraum zu rehabilitieren. Denn die Heimunterbringung war das Mittel, die Mutter zur Zusammenarbeit mit der Stasi zu bewegen. Die Unterbringung des Betroffenen zielte daher auch darauf ab, eine politisch intendierte Benachteiligung herbeizuführen. Unerheblich ist dabei nach der Auffassung des Oberlandesgerichts, ob sich der mit der Heimfortdauer verfolgte Zweck gegen die untergebrachte Person selbst oder gegen Dritte richtete. Eine Heimunterbringung ist nämlich auch dann als rechtsstaatswidrig anzusehen, wenn sie sich gegen Eltern oder Verwandte richtete.

Fundstellen: Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 07.11.2017, Az. 2 Ws (Reha) 13/16

Bereits am im Jahr 2014 hatte ich darüber berichtet, dass sich die Berliner Polizei weigert, Frauen mit Brustimplantaten einzustellen. Nachdem das Verwaltungsgericht Berlin das für rechtswidrig erklärt hatte, hätte man meinen können, dass damit die Rechtlage geklärt war, zumal sich zahlreiche andere Verwaltungsgerichte dem Urteil anschlossen (vgl. Artikel „Frauen mit Brustimplantaten dürfen zur Berliner Polizei“ vom 05.03.2014, „Dürfen Frauen mit Brustimplantaten zur Polizei? Verwaltungsgericht München gibt Bewerberin im Eilverfahren Recht“ vom 26.09.2016 und „Verwaltungsgericht Gelsenkirchen: Frau mit Brustimplantat darf zur Polizei“ vom 24.01.2017). Die Berliner Polizei sah das dagegen anders und legte Berufung ein und wies in der Folge weiter Frauen mit Brustimplantaten als Polizisten ab. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat in dem Berufungsverfahren mehrere Sachverständige mit Materialgutachten beauftragt, dabei kam wenig überraschend heraus, dass Frauen mit Brustimplantaten kein signifikant höheres Risiko haben, für längere Zeit wegen der Brustimplantate dienstunfähig zu werden. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat daher mit Urteil vom 28.03.2018, Az. OVG 4 B 19.14, die Bewerbungsablehnung für rechtswidrig erklärt. Die durch die Gutachten nicht gerade niedrigen Kosten des Verfahrens musste natürlich die Berliner Polizei tragen. Stellt die Berliner Polizei jetzt endlich Frauen mit Brustimplantaten ohne jahrelange Rechtsstreitigkeiten ein? Man wird es sehen.

Fundstelle: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.03.2018, Az. OVG 4 B 19.14

Der fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte im Jahr 2012 entschieden, dass ein Arbeitnehmer auch an eine unbillige Weisung des Arbeitgebers zunächst gebunden sei. Ihm blieb danach lediglich die Möglichkeit gleichzeitig Klage beim Arbeitsgericht zu erheben, um die Unverbindlichkeit der Weisung feststellen zu lassen. Bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung hätte der Arbeitnehmer die Weisung aber befolgen müssen, um nachteilige arbeitsrechtliche Konsequenzen zu vermeiden (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.2.2012, 5 AZR 249/11).

Diese Rechtsprechung ist vielfach kritisiert worden. Der zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts vertritt nun die Auffassung, dass ein Arbeitnehmer eine unbillige Ausübung des Weisungsrechts durch den Arbeitgeber unabhängig von der Anrufung eines Arbeitsgerichts nicht befolgen muss. Das begründete der zehnte Senat im Wesentlichen damit, dass die gesetzliche Grundlage (§ 106 GewO) keine ausdrückliche Regelung über die Rechtsfolgen von Weisungen, die billigem Ermessen nicht entsprechen, enthält. Der Wortlaut lege aber nahe, dass der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nur dann näher bestimmen kann, wenn er billiges Ermessen wahrt. Hält er diese Grenzen nicht ein, verlässt er den Rahmen, den das Gesetz für sein Bestimmungsrecht vorgibt. Aus den allgemeinen Grundsätzen der Billigkeitskontrolle ergäbe sich auch nichts anderes. Eine vorläufige Bindung des Arbeitnehmers sei daher nicht anzunehmen (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14.6.2017, 10 AZR 330/16 (A)). Der letzteren Meinung hat sich nunmehr mit Beschluss vom 14.9.2017, 5 AS 7/17, auch der fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts angeschlossen. Eine vorläufige Bindung an eine unbillige Weisung des Arbeitgebers besteht demnach nicht mehr.

Fundstellen: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14.9.2017, 5 AS 7/17; Beschluss vom 14.6.2017, 10 AZR 330/16 (A); Urteil vom 22.2.2012, 5 AZR 249/11

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 17.11.2017, Az. BVerwG 2 C 25.17, entschieden, dass ein Polizeikommissar im Land Berlin aus dem Polizeidienst entfernt werden kann, wenn er Tätowierungen von Runenzeichen und Emblemen rechtsextremistischer, rassistischer Musikgruppen trägt, wiederholt den Hitlergruß gezeigt, mit einer Hakenkreuzflagge posiert und nationalsozialistische Devotionalien in seiner Wohnung verwahrt hat. Der Beamte habe durch die (öffentlich nicht sichtbare) Tätowierung die Treuepflicht gegenüber dem Land Berlin verletzt, denn damit habe er dokumentiert, dass er sich mit einer verfassungswidrigen Organisation oder Ideologie identifiziere. Der Beamte hatte sich eine Wolfsangel, eine Odalrune und eine Sigrune, die sich zusammen mit weiteren nordischen bzw. mythischen Zeichen im Bereich der linken Schulter um einen Wikingerkopf ranken, tätowieren lassen. Bei ihm zu Hause waren u.a. gerahmte Abbildungen von Adolf Hitler, Rudolf Heß und Horst Wessel neben anderen Devotionalien der rechten Szene gefunden worden. Bei seiner Freundin waren Fotos mit dem Beamten gefunden worden, auf denen er den Hitlergruß gezeigt haben soll. Diese Umstände waren bei der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen, ob in den Tätowierungen ein Verstoß gegen die politische Treupflicht zu sehen ist.

Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Polizeibeamter für seinen Beruf nicht geeignet ist, wenn er die freiheitlich-demokratische, rechts- und sozialstaatliche Ordnung des Grundgesetzes ablehnt. Die Ermittlungsverfahren gegen den Polizeibeamten waren zwar eingestellt worden, wegen des Verdachts der Aufforderung zu Straftaten bzw. Volksverhetzung ist der Beamte vom Landgericht Berlin sogar freigesprochen worden, auf die Strafbarkeit komme es nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts dabei jedoch nicht entscheidend an. Zuvor hatten das Verwaltungsgericht Berlin und das Oberverwaltungsgericht Berlin in den nicht öffentlich-sichtbaren Tätowierungen wegen der fehlenden Außenwirkung keinen Verstoß gegen die politische Treuepflicht eines Polizeibeamten gesehen.

Fundstellen: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17.11.2017, Az. BVerwG 2 C 25.17, Pressemitteilung Nr. 79/2017 vom 17.11.2017; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.05.2017, Az. 80 D 6.13; Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 09.04.2013, Az. 80 K 22.12 OL

Das Landgericht Potsdam hat mit Beschluss vom 12.05.2017, Az. BRH 33/15, BRH 36/15, die Heimeinweisung der zwei Betroffenen in unterschiedliche Kinderheime in der DDR wegen politischer Verfolgung als rechtsstaatswidrig aufgehoben. Es weicht damit scheinbar von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab. Der Bundesgerichtshof vertritt die Auffassung, dass eine Heimunterbringung der Kinder nicht als rechtsstaatswidrig aufzuheben ist, wenn diese allein aus dem Anlass erfolgte, dass die Eltern infolge ihrer politisch motivierten Inhaftierung an der Ausübung der elterlichen Sorge gehindert waren (BGH, Beschluss vom 05.03.2015, Az. 4 StR  525/13). Denn dann richte sich die politische Verfolgung nicht unmittelbar gegen die Kinder, sondern sei lediglich die Folge der politischen Verflogung der Eltern.

In dem von dem Landgericht Potsdam entschiedenen Fall hatten die Eltern versucht zusammen mit ihren beiden betroffenen Kindern im Juli 1971 von Bulgarien aus mit einem Faltboot in die Türkei überzusetzen. Bei diesem Fluchtversuch wurden sie festgenommen und inhaftiert. Die Eltern wurden von der Stasi vernommen und  wegen versuchter Republikflucht und Spionage zu Freiheitsstrafen von 7 bzw. 5 Jahren verurteilt. Die Kinder wurden seit der Inhaftierung der Eltern in Kinderheimen untergebracht. Bis auf einen Urlaubsaufenthalt bei der Großmutter und einer Tante blieben die Kinder bis zur Amnestie der Eltern im Heim. Die Kinder wurden im Februar 1973 aus den Kinderheimen zu ihren Eltern entlassen. Mehrere Verwandte der Kinder wären damals bereit gewesen, die Kinder bei sich aufzunehmen, wurden aber von den Behörden der DDR nicht gefragt, ihnen wurde vielmehr -wie den Eltern- die Unterbringung und der Aufenthaltsort der Kinder verheimlicht. Ein Briefkontakt der Kinder mit den Verwandten wurde von den DDR-Behörden verhindert.

Das Landgericht Potsdam hat die Heimeinweisungen der Kinder in dem Beschluss vom 12.05.2017, Az. BRH 33/15, BRH 36/15, für rechtsstaatswidrig erachtet, weil die Unterbringung der Kinder nicht allein dem Umstand geschuldet war, dass die Eltern wegen ihrer Inhaftierung die Sorge und die Erziehung der Kinder nicht wahrnehmen konnten. Die Kinder sollten vielmehr für den missglückten Fluchtversuch der Eltern mitbestraft werden, weshalb auch die Kotaktsperre erlassen wurde. Die Kinder sind deshalb wegen verhängter Sippenhaft selbst Opfer unmittelbarer politischer Verfolgung geworden und entsprechend zu rehabilitieren.

Fundstelle: Landgericht Potsdam, Beschluss vom 12.05.2017, Az. BRH 33/15, BRH 36/15



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